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Nachtflug Zur Hölle

Nachtflug Zur Hölle

Titel: Nachtflug Zur Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dale Brown
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ein junger Kriegsknecht mit schwerer Bewaffnung viele Kilometer weit laufen können. Und er hat den ganzen Tag lang ein acht Kilo schweres Schwert geschwungen, ohne zu ermüden. Kälte, Hitze, nicht einmal Schmerzen haben diesen Männern etwas ausgemacht.
    Solche Kerle sind durch nichts zu erschüttern gewesen. Körperliche Folter ist wirkungslos gewesen – ihr vollständiger, blinder, hündischer Gehorsam hat sich als sehr wirkungsvoll erwiesen.«
    Als Dominikas Palcikas sah, daß Anna mit vor Entsetzen geweite-170
    ten Augen bei jedem Peitschenhieb zusammenzuckte, nahm er ihren Arm und zog sie mit sich von der Empore. Sie ließ sich durch einen modern eingerichteten Konferenzraum in sein Dienstzimmer führen. Nachdem er sie in den schwarzen Ledersessel vor seinen Schreibtisch bugsiert hatte, trat er an den Barschrank und kam mit zwei kleinen Cognacschwenkern zurück. Sie nahm ihren, ohne jedoch daraus zu trinken.
    »Das … das ist eine der dümmsten, primitivsten und grausamsten Szenen gewesen, die ich je gesehen habe!« warf sie ihm vor. »Menschen, die wie Tiere geprügelt werden!«
    »Wir machen später alles wieder gut«, sagte Palcikas gelassen.
    »Während der Messe baden andere Ritter die Kandidaten und hüllen sie in weiße Gewänder. Bevor sie den Eid leisten, legen sie Ritterrüstungen an.«
    »Schlagen Sie ihnen tatsächlich mit einem Schwert auf die Schulter und so weiter?« fragte Anna herablassend.
    »Das hat der Großfürst nie getan – das ist eine englische Sitte, glaube ich«, antwortete Palcikas ernsthaft. »Ich salbe ihre Stirn mit Öl. Dann legen sie eine Hand auf die Bibel und die andere auf das litauische Staatsschwert, das hier in Trakai aufbewahrt wird, und sprechen die Eidesformel. Nach der Messe geben die übrigen Ritter ihnen in der großen Halle ein rauschendes Fest. Als Zeremonienmeister kredenze ich ihnen beim Essen den ersten Pokal mit Wein.«
    »Ich finde das pervers – oder zumindest lächerlich«, sagte Anna.
    »Ich meine, wir leben doch im zwanzigsten Jahrhundert.«
    »In dieser Ausbildung befinden sich gegenwärtig über hundert Männer – und achtzehn Frauen –, und weitere fünfhundert stehen auf der Warteliste«, erklärte ihr Palcikas. »Sie bekommen keinen Titel, keine Gehaltszulage, keine Privilegien. Sie tragen ein rot-weißes Abzeichen auf der Uniform, und ihr Sarg wird mit dem roten Wytis bedeckt, wenn sie sterben. Sie nehmen das auf sich, um ihre Treue und Liebe zur Heimat und der gemeinsamen Sache zu beweisen.«
    »Wem beweisen? Ihnen? Oder dem Staat?«
    »Sich selbst, nur sich selbst«, antwortete Palcikas. »Ich brauche diesen Beweis nicht und lasse mich auch durch seine Existenz oder sein Fehlen nicht für oder gegen einen Menschen einnehmen. Aber in unserem Land scheint es nur wenige Dinge zu geben, an die man glauben kann – und diese Sache gibt unseren Mitbürgern eine Gelegenheit, ihre Überzeugungen auszudrücken. Manche haben Vorfahren, die sich schon diesem Ritual unterzogen haben; andere wollen die Ersten ihres Geschlechts sein oder eine unterbrochene Tradition fortsetzen, nachdem im Großen Vaterländischen Krieg so viele Familien von den Nazis und den Sowjets ausgerottet worden sind. In jedem Fall hilft es ihnen, ihre Pflicht zu tun – ihre Heimat zu verteidigen.«
    »Das könnte man als heidnisches Ritual bezeichnen«, wandte Anna ein. »Nicht viel anders als die Aufnahme in die Hitlerjugend, Himmlers SS oder den Ku-Klux-Klan.«
    »Oder eine Trauungszeremonie? Oder den Eid eines neuen Abgeordneten?« Palcikas machte eine Pause, ließ den Cognac in seinem Glas kreisen und fügte dann hinzu: »Oder Demonstranten, die bei Protestmärschen schwarze Pappsärge mitführen und orangerote Bettlaken tragen, um Verstrahlte darzustellen.«
    »Sie haben also von unserem für nächste Woche geplanten Marsch zum Fisikus-Institut gehört?«
    »Ganz recht, von der Demonstration vor dem Atomkraftwerk Denerokin. Sie hätten mich etwas früher informieren sollen, Miss Kulikauskas«, sagte Palcikas. »Es dauert seine Zeit, die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen zu treffen und alle zuständigen Stellen zu benachrichtigen.«
    »Wir brauchen weder Erlaubnisse noch Sicherheitsmaßnahmen, um in unserem eigenen Land zu demonstrieren«, widersprach Anna trotzig. »Wir marschieren, wann und wohin wir wollen.«
    »Aber nicht auf dem Gelände des Atomkraftwerks«, stellte Palcikas fest. »Denerokin wird noch immer von GUS-Truppen bewacht. Juristisch gehört das Institut

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