Nachtflug Zur Hölle
genug, um zu erkennen, ob die georteten Fahrzeuge überhaupt noch gefährlich oder schon brennend außer Gefecht gesetzt sind. Die Bewaffnung der Old Dog besteht aus bis zu zwölf Lenkwaffen MARS im Bombenschacht und weiteren zwölf an externen Aufhängepunkten unter den Flügeln. Mit nur sechs Marschflugkörpern kann sie Panzer auf einer Fläche von viertausend Quadratkilometern bekämpfen – während sie selbst weit entfernt andere Ziele angreift.«
»Nicht zu glauben!« murmelte White. »Ich hab’ schon gewußt, daß hier im HAWC unglaubliche Waffen entwickelt werden, aber das übertrifft alle Erwartungen!«
»Ich bin dabei, Besatzungen zusammenzustellen und den Einsatz zu planen – natürlich unter strengster Geheimhaltung«, erklärte der General ihm halblaut. »Allmählich wird es Zeit, daß sich HAWC und MADCAP MAGICIAN zusammentun, finden Sie nicht auch?
Obwohl ich natürlich hoffe, daß wir nicht ranmüssen, denke ich nicht daran, untätig zuzusehen, wie David Luger auf dem Altar politischer Zweckmäßigkeit geopfert wird.«
»Auf mich können Sie zählen, General«, versicherte White ihm.
»Wenn ich ganz ehrlich sein soll, ist meine Angst, Sie würden mir nicht glauben, schon so groß gewesen, daß ich nicht mehr zu hoffen gewagt habe.« Er machte eine Pause, in der sein Lächeln schwand, bevor er sich erkundigte: »Aber wie sollen wir zusammenarbeiten, wenn ich dem Justizministerium überstellt werde?«
»Wie Sie selbst bemerkt haben, Oberst«, sagte Elliott mit amüsiertem Lächeln, »sind wir hier im HAWC. Halte ich Ermittlungen wegen eines möglichen Geheimnisverrats für notwendig, lasse ich Sie anstellen – und alle anderen, auch das Justizministerium, halten sich raus, ich habe bereits veranlaßt, daß Ihr jetzt in Norwegen liegendes Schiff beschlagnahmt und unter strenge Bewachung gestellt wird.
Außerdem sind die Flugzeuge und alle MISCOs wieder an Bord, während Ihre gesamte Besatzung sich auf dem Flug hierher befindet.
Wir beide planen das Unternehmen gemeinsam – und führen es durch, falls die Marines aufgeben müssen.«
Fisikus-Institut für Technologie, Wilna
28. März, 08.20 Uhr
Seit David Luger sich durch eine Gehirnwäsche aus dem Gefangenen mit der Codebezeichnung 41/Zulu in den Wissenschaftler Dr. Iwan Sergejewitsch Oserow verwandelt hatte, verlief sein Leben als »im Haus wohnender ständiger Mitarbeiter« – ein Versuchstier wie die Ratten, Hunde und Affen im Fisikus – Tag für Tag recht gleichförmig. Nach dem Wecken um 5.30 Uhr fand er sich im Gymnastikraum ein, um eine Viertelstunde lang unter einer UV-Lampe auf einem Heimtrainer zu strampeln – außer durchs Fenster seines Zimmers bekam er die Sonne kaum jemals zu sehen –, dann wurde er von einer Krankenschwester oder einem Sanitäter flüchtig untersucht, duschte, rasierte sich unter Aufsicht mit einem Elektrorasierer und frühstückte anschließend. Seine Leistungen auf dem Heimtrainer, seine Kalorienaufnahme und sogar seine Ausscheidungen wurden sorgfältig kontrolliert und aufgezeichnet. Selbst wenn er allein war, wurden sämtliche Bewegungen durch Videokameras oder Wachpersonal beobachtet.
Es gab nur einen Ort, an dem Luger weder direkt noch durch Videokameras überwacht wurde: den großen Speisesaal des Fisikus-Instituts. Da der Speisesaal tagsüber ständig benutzt wurde – hauptsächlich von Sicherheitspersonal –, und da Luger gewöhnlich allein oder mit seinen Führungsoffizieren vom ehemaligen KGB aß, schien keine spezielle Überwachung erforderlich zu sein.
Deshalb beschloß Mizschasis »Mike« Jonzcich, ihn dort anzusprechen.
Als CIA-Offizier war Jonzcich schon seit langem zur Intelligence Support Agency abkommandiert und gehörte dort einem ungewöhnlichen, aber sehr erfolgreichen Team an: MADCAP MAGICIAN unter Befehl von Luftwaffenoberst Paul White. Der 28jährige Jonzcich, ein Sohn litauischer Einwanderer, war schon am Boston College von der CIA angeworben worden. Weil er fließend Litauisch sprach – in seiner Familie wurde die »alte Sprache« noch gepflegt –, kam er sofort zur Abteilung UdSSR und sammelte Informationen aus verdeckten und öffentlichen Quellen über praktisch alle Aspekte des litauischen Alltags unter sowjetischer Besatzung.
Schon nach kurzer Einarbeitungszeit schlug der stellvertretende CIA-Direktor (Beschaffung) ihm vor, zur ISA überzuwechseln und als Geheimagent in die Heimat seiner Eltern zurückzukehren, um die sowjetische Besatzungsmacht auszuspionieren.
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