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Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Titel: Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Sinclair
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Haven, begann er, ich schreibe, um meiner Sorge wegen der jüngsten tragischen Ereignisse Ausdruck zu verleihen und um noch einmal meine Bereitschaft zum Dienen zu bekunden … Aversham hegte eine Abneigung gegen kurze Ausführungen, was Ratsmemoranden zur einer anstrengenden Lektüre und die Sitzungen selbst zu einer ermüdenden Erfahrung machten, aber Balthasar wusste, dass diese Abneigung taktische Gründe hatte. Gelangweilte, ungeduldige Menschen wurden achtlos in ihren Worten und hörten nicht mehr richtig zu. Es bedeutete jedoch, dass Balthasar ohne Weiteres eine ganze Seite mit näheren Ausführungen seines ersten Satzes füllen konnte. Er ritzte seine Unterschrift unter den Brief – er hatte sein persönliches Siegel zurückgelassen – und wandte sich dem Umschlag zu. Mit Tinte adressierte er ihn an Frau Tempe, mit dem Ritzgriffel an Aversham. Selbst wenn der Brief seinen Weg nicht zu Frau Tempe fand, würde er keinen Schaden anrichten; der Wunsch, zu helfen, war aufrichtig genug.
    »Dies muss zum Sitz des Interkalaren Rates gebracht werden, drüben bei der Residenz des Prinzen. Es finden sich nebeneinander zwei Schlitze für Mitteilungen, und der Brief muss in den linken Schlitz geworfen werden – dieser bringt ihn in den Besitz von Frau Tempes Sekretär und weiter zu Frau Weiße Hand. Sagen Sie dem Boten, dass nach Möglichkeit niemand beobachten sollte, dass der Brief in den linken Schlitz geworfen wird und nicht in den rechten. Das Schreiben sollte Floria vor Sonnenaufgang erreichen.«
    »Ich werde dafür sorgen, dass alles genau erledigt wird«, versprach Lorcas und reichte den Umschlag seinem Sohn. »Verzeihen Sie mir, wenn ich das sage, Herr, aber Sie scheinen eine gewisse Begabung für dergleichen zu besitzen.«
    Balthasar lachte. »Der Einfluss von Frau Floria Weiße Hand. Sie hat mich ein wenig von ihrem Gewerbe gelehrt. Wir haben früher von Zeit zu Zeit auf diese Weise korrespondiert und tun es immer noch.«
    »Sehr wohl, Herr. Darf ich Ihnen jetzt etwas zum Frühstück holen?«
    »Ja, und die Morgenzeitungen, bitte.«
    Er leerte gerade einen Teller Suppe, diesmal mit Fadennudeln aus Eiern, und versuchte gerade, die Überschriften zu lesen, ohne die erste Seite mit Fett zu beschmieren, als Lorcas wieder in der Tür erschien. »Herr«, sagte er. »Ein Besucher. Er bittet darum, mit Ihnen sprechen zu dürfen. Möchten Sie ihn lieber hier empfangen oder …« Aber der Neuankömmling hatte sich bereits an ihm vorbeigeschoben.
    »Ich werde mich selbst anmelden«, sagte er und ließ seinen Peilruf über Balthasar gleiten. »Hallo, kleiner Bruder. Wir haben uns lange nicht gesehen, nicht wahr?«
    Balthasar bewegte sich nicht und konnte nicht sprechen, als Lysander Hearne sich unaufgefordert einen Stuhl neben sein Bett zog und Platz nahm. »Sie können gehen«, entließ der Besucher Lorcas.
    Lorcas beugte sich über Balthasar, um Tablett, Teller und Zeitung wegzuräumen. Dabei schob er sich zwischen sein Gesicht und das Sonar seines Bruders. Er begriff vage, dass ihm Lorcas die Möglichkeit bot, ihm ein Zeichen zu geben oder auf andere Weise zu kommunizieren. Aber was? Hilfe? Rufen Sie die Wache? Werfen Sie ihn hinaus? »Ja«, brachte Balthasar heraus. »Danke, Lorcas. Danke.«
    »Ist das für den Moment alles, Herr?«
    »Ja«, hörte er sich abermals sagen. »Danke.«
    Er vernahm eher, als dass er es peilte, wie der Kammerdiener den Raum verließ.
    »Hast du kein Wort des Grußes für mich?«, fragte Lysander dicht bei ihm, sodass er unwillkürlich Peilrufe aussandte. Sein Sonar zeigte ihm das feinknochige Gesicht, das so große Ähnlichkeit mit seinem eigenen hatte. Mit einer Festigkeit, die ihn selbst überraschte sagte Balthasar: »Ich wäre dir dankbar, wenn du nicht näher kommen würdest.«
    »Wenn ich nicht näher kommen würde?«, wiederholte Lysander. »Was ist los, bin ich plötzlich zum Magier geworden?«
    Das war es nicht; er wollte Lysander einfach nicht in seiner Nähe haben. Er fürchtete ihn noch immer, sein Repertoire an kleineren körperlichen Peinigungen und größeren geistigen. Und dann war da die Art, wie sie sich voneinander getrennt hatten, über der Asche des Mädchen, das Lysander ermordet hatte. Seine Haut prallte vor dem Mann zurück, wie sie vor der Leiche zurückgeprallt war. Es gelang ihm, dem Drang zu widerstehen, sich die Hände abzuwischen, um sie von der Erinnerung zu befreien an die Berührung der toten auskühlenden Haut, der groben Leinwand von Bahre und

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