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Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Titel: Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Sinclair
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dass einer der Beteiligten die geringste Vorstellung von auch nur einem einzigen Aspekt der Magie besaß. Anderen war es in vergangenen Jahren so ergangen.
    Hätte er von der zweiten Anklage gewusst, wäre er in größerer Versuchung gewesen zu fliehen. Sein an Telmaine gerichteter Gedankenruf, ein Akt schierer Verzweiflung, würde sich wahrscheinlich als nutzlos erweisen. Falls sie ihn gehört hatte, würde sie ihn auch beachten? Und falls ja, was konnte sie tun, eine nicht ausgebildete Magierin, die danach trachtete zu verbergen, wenn nicht gar rundheraus zu leugnen, was sie war? Mehr noch, sie war eine Aristokratin, erzogen zu Passivität und gewöhnt an eine öffentliche Bühne, auf der die Männer um sie herum die Schauspieler waren und sie selbst lediglich Zuschauerin und Dekoration. Er wäre besser dran gewesen, hätte er nach Olivede Hearne oder Phoebe Broome gerufen, und noch besser, hätte er sich nicht so sehr verausgabt. Bis zur Wiedererlangung seiner vollen Kraft würden zwei oder drei Tage vergehen, obwohl er schon bei Einbruch der Nacht in der Lage sein würde zu stehen, was immer ihm das nutzen mochte. Die Wachen hatten seine Schuhe mitgenommen und mit ihnen seine Dietriche und versteckten Messer. Obwohl sie ihm seine Körperpanzerung gelassen hatten.
    Ishmael grübelte gerade über die Bedeutung dieses Umstandes nach, als er bemerkte, dass jemand draußen vor seiner Zelle war. Er hörte einen Schlüssel im Schloss kratzen und zwang sich, mit keinem Muskel zu zucken, damit er nicht verriet, dass er bei Bewusstsein war. Der Schlüssel wurde gedreht – das Schloss befand sich offensichtlich in einem besseren Zustand als die Schlösser der anderen Zellen, in denen er sich aufgehalten hatte –, und er vernahm in der Nähe das Schlurfen eines Schuhs.
    »Sie haben sich zu sehr verausgabt«, erklang eine Stimme ungefähr auf gleicher Höhe mit ihm und im Tonfall eines Menschen, der seit Langem daran gewöhnt war, nicht lauter zu sprechen als notwendig. Es handelte sich um die Stimme eines jungen Mannes mit dem Akzent der Flussmark, leicht überlagert von Gelehrsamkeit. Ishmael reagierte nicht, aber sein Herzschlag, den er nicht kontrollieren konnte, beschleunigte sich, und er war sicher, dass der Puls in seiner Kehle sich dem Peilruf des Mannes offenbarte.
    Also riskierte er eine federleichte Berührung seines Sonars, genug, um den Mann zu enthüllen, während er den Wasserkrug ans Kopfende der Pritsche stellte, wo er nicht jedem zufälligen Blickkontakt preisgegeben sein würde. Ein gerissener Bursche mit schmalem Gesicht und bekleidet mit einer modisch geschnittenen Jacke, die offensichtlich aus zweiter Hand stammte und für ihn umgearbeitet worden war. Mit seiner scharfen Nase nahm Ishmael einen schwachen medizinischen Geruch wahr, den der Mann verströmte. Also der Gefängnisapotheker.
    »Magistra Hearne hat gesagt, ich solle Ihnen die hier geben und Sie bitten, sie zu nehmen.« Ishmael nahm den Geruch der mit Kräutern versetzten Pastillen wahr, die Magier als Stärkungsmittel einsetzten und die oft zusätzlich wie Spicula mit Lebensenergie aufgeladen waren.
    »Die Zellen gegenüber sind leer«, fuhr der Apotheker fort. »Am Tag kann Ihnen nichts passieren. Sie müssen vorsichtig mit der Nachtwache sein, aber es wird dafür gesorgt werden, dass die beschäftigt ist. Sobald die Sonne untergeht, werden Leute für Sie herkommen. Magistra Hearne hat mich gebeten, Ihnen das auszurichten.« Ishmael hörte, wie er sich bewegte, aufstand und zur Tür ging. Der Schlüssel wurde gedreht. »Er wird keinen Ärger machen«, hörte er ihn zu einem näher kommenden Paar Stiefel sagen. Ishmael zwang sich, still dazuliegen, während das Gefängnis um ihn herum sich für den Tag bereit machte. Schließlich riskierte er es, unter der Pritsche nach der Flasche und den Pastillen zu tasten. Es waren sechs, eine jede so groß wie sein Daumennagel, und bei der ersten Berührung wusste er, dass sie aufgeladen waren und von wem; der Charakter der Magie eines jeden Magiers war einmalig, und Olivede Hearnes Magie war in ihrer scharfen Konzentration unverkennbar. Also hatte er eine Verbindung zur Außenwelt und Freunde, die bereits für ihn zur Tat schritten. Er schob sich die erste Pastille in den Mund und ließ den Zucker und die eingelagerte Vitalität die kränkliche Mattigkeit magischer Überanstrengung vertreiben.
    Er hatte ihr gegenüber von Heirat gesprochen in der launischen Erleichterung des Nachlassens starker

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