Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Titel: Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Sinclair
Vom Netzwerk:
in den Fahrdamm waren die Schienen der Tram eingelassen, deren Verkehr für einen unaufmerksamen Passanten gefährlich werden konnte. Ganz blieb den Fußgängern dieses Risiko allerdings nicht erspart, denn in alle Seitenstraßen und größere Lagerhäuser führten ebenso wie zu allen Hafenbecken Abzweigungen des Schienennetzes, die es immer wieder zu überqueren galt. Die meisten Wagen der Trambahn wurden immer noch von Pferden gezogen, manche aber auch von Verbrennungsmaschinen, die ihren eigenen, unverkennbaren Beitrag zum allgemeinen Lärm beisteuerten.
    An den Hafenbecken gingen die Lösch- und Verladearbeiten direkt nach Sonnenuntergang los und dauerten jeweils bis zum Sonnenaufgang an. Jüngst hatte es Proteste unter den Beschäftigten gegeben, weil einige Unternehmer sie bis nach Sonnenaufgang arbeiten ließen. Dem hatte ein erzherzogliches Edikt ein Ende gemacht, das festlegte, dass niemandem der sofortige Schutz vor dem Sonnenlicht verweigert werden dürfe.
    Von den Kais her hörte Telmaine das Ächzen von Seilen und Blöcken, die rauen Befehle der Vorarbeiter, das dumpfe Aufprallen grob behandelter Fracht. Das Packen, Sortieren und Verladen auf die Wagen erledigte die Tagesschicht in lichtsicheren Lagerhäusern zu beiden Seiten der breiten Straßen. Von dort wurden die Wagen in den großen, überdachten Bahnhof gezogen. Es gab bereits vier Gleisstrecken, die auch tagsüber befahren werden konnten, zwei weitere waren im Bau.
    ›Woher kommt das alles?‹, fragte sie verwirrt.
    ›Von der Küste südlich der Schattenländer. Der Handel mit den Inseln und den Ungetrennten Ländern nimmt von Jahr zu Jahr zu. Riechen Sie …‹ Gehorsam atmete sie den Duft von rohen Gewürzen in solcher Fülle ein, dass sie beinahe erstickend wirkten. In seiner Zelle schwelgte Ishmael in den Düften.
    ›Sie mögen die Inseln?‹
    Ihre Gedankenstimme war noch immer genauso frisch wie in dem Moment, als sie die Verbindung aufgebaut hatten, obwohl allein sie diese Verbindung aufrechterhielt. Sie konnten nur wenig Konversation riskieren, die nichts mit ihrer Aufgabe zu tun hatte. ›Wenn ich hier keine eigenen Ländereien hätte, würde ich dort leben, Gewürze anbauen und dick und selbstgefällig werden. Selbst auf der größten Insel gibt es nichts, das groß genug wäre, um einen Menschen zu töten oder zu verstümmeln.‹
    ›Und die Gewässer?‹
    ›Ich habe nicht gesagt, dass ich fischen würde.‹ In der Tat, die Schattengeborenen hatten die Gewässer rund um die Scallon-Inseln gründlich geplündert, ehe sie von der vereinten Flotte der Insulaner zur Strecke gebracht worden waren. Invasionsversuche übers Meer hatten in der Vergangenheit böse unter den Besatzungen, Entermessern, Pistolen und Kanonen dieser Schiffe gelitten. Ferdenzil Mycene schien sich all dessen vollauf bewusst zu sein; sein Truppenaufbau vollzog sich langsam, aber unaufhaltsam.
    ›Ferdenzil Mycene ist zurück‹, sagte Telmaine, während sie einen Schritt zur Seite machte, um einem Kader flott marschierender Fabrikarbeiterinnen auszuweichen, die von einer Aufseherin mit lauter Stimme von einer Straßenseite auf die andere gescheucht wurden.
    Die Aufseherin sprach sie an. »Wo wollen Sie denn hin?«
    ›Textilien Macaveres‹, sagte Ishmael ihr schnell vor; sie wiederholte es. Die Frau, der diese beiden Wörter reichten, um Telmaines vornehme, akzentfreie Sprache richtig einzuordnen, erwiderte eine Spur weniger geringschätzig, dafür aber um so neugieriger: »Das ist da drüben.« Telmaine bedankte sich höflich und ging weiter.
    ›Sie wollten etwas über Mycene sagen?‹, fragte Ishmael.
    Sie erinnerte sich für ihn an die Begegnung. In seiner Zelle hob er eine Hand, um ein Grinsen über ihre respektlosen Überlegungen im Hinblick auf Standbilder zu verbergen. ›Er wird mein Fell wollen.‹
    ›Er wird es nicht bekommen‹, erwiderte Telmaine. ›Sobald ich Florilinde habe, hat Lysander keine Macht mehr über Balthasar, und Balthasar kann dem Superintendenten sagen, dass sein Bruder zurück ist und behauptet, die Kinder seien von ihm. Sie werden Nachforschungen über ihn anstellen wollen.‹ Er spürte, wie sie ihre Gefühle unterdrückte, die erfüllt waren von Verachtung und dem Bedürfnis zu beschützen: Verachtung gegenüber Lysander Hearne, während der Drang zu beschützen ihrem Mann galt.
    ›Textilien Macaveres‹, bemerkte Ishmael taktvoll, als sie das nächste Lagerhaus erreichte. ›Wir sind fast bei der Brücke in den Unterhafen. Der

Weitere Kostenlose Bücher