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Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Titel: Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Sinclair
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… ist etwas ganz anderes als das hier. Es sind die älteren Hafenanlagen, in denen die größeren Schiffe nicht anlegen und keine umfangreicheren Frachten abgefertigt werden können. Einige der Lagerhäuser dort werden nicht mehr benutzt. Während des größten Teils des vergangenen Jahrhunderts standen sie unter der Kontrolle des organisierten Verbrechens. Die Behörden konnten diese Zustände nur durch den Bau des neuen Hafens, des Oberhafens näher am Bahnhof, und praktisch durch die Aushungerung des Unterhafens beenden. Fürst Vladimer und seine Leute sorgten dafür, dass es den Kriminellen nicht gelang, ähnliche Macht über den Oberhafen zu erlangen, obwohl er damals kaum mehr war als ein Junge. Eines Tages werde ich Ihnen diese Geschichte erzählen müssen.‹
    Es war ein wahres Epos, angefangen von Razzien genau bei Sonnenuntergang, für die Dutzende von Fürst Vladimers Leuten den ganzen Tag in Verstecken zugebracht hatten, über tollkühne Einbrüche in die Häuser der damals reichsten Leute des Landes – von denen einige auf das Konto des damals sechzehn- oder siebzehnjährigen Vladimer selbst gingen – bis hin zu monate- und jahrelangen sorgfältigen Analysen der Bewegung von Waren und Geldern, um legalen Handel und dessen Zahlungsvorgänge vom Fluss von Bestechungsgeldern und Einnahmen aus Erpressung und Veruntreuung zu unterscheiden. Die darauffolgenden Verhandlungen hatten die Skandalblätter monatelang und die Gerichte jahrelang beschäftigt. Man hatte Dutzende Personen ins Gefängnis geschickt, eine Handvoll an die Verbrennungspfähle gekettet und weitere dazu getrieben, den Selbstmord der Schande vorzuziehen. Die Konsequenzen hatten die Grundfesten der drei aristokratischen Dynastien erschüttert und mehrere große Handelshäuser in den Ruin getrieben. Aber die Operation hatte die wirtschaftliche Gesundheit der Stadt gesichert und die Karriere und den Ruf des jungen Halbbruders des Erzherzogs begründet.
    ›Was ist das für ein abscheulicher Geruch?‹
    ›Der alte Kanal. Er wurde früher täglich durch die Öffnung der Schleusen stromaufwärts gespült, aber jetzt herrscht auf dem neuen Kanal so viel Verkehr, dass sie es nur noch wöchentlich tun, wenn überhaupt. Atmen Sie durch den Mund.‹ Er dachte bewusst nicht an die menschlichen Rückstände, die durch die Spülung des Kanals ebenfalls entfernt wurden. Der widerwärtige Gestank rührte wahrscheinlich unter anderem von einer oder mehreren verwesenden Leichen her. Auch wenn die großen kriminellen Vereinigungen zerschlagen worden waren, gab es noch kleinere Organisationen.
    ›Wo ist Haus Nummer einunddreißig?‹
    ›Es ist das vorletzte. Fangen Sie an, Ihre Umgebung wahrzunehmen. Die Lagerhäuser am anderen Ende, in der Nähe der Hauptstraße, werden noch benutzt; diese nicht. Zumindest nicht zu legalen Zwecken. Also trödeln Sie nicht. Wenn jemand versucht, Sie aufzuhalten, entledigen Sie sich seiner, bevor er Ihnen näher als ein Dutzend Schritt gekommen ist. Sie wissen nicht, wie schnell diese Leute Sie in die Enge treiben können.‹ Ihnen die Kehle durchschneiden, war der Gedanke, den er vor ihr verbarg. ›Wenn Sie dem Lagerhaus nahe genug sind, müssen Sie erspüren, wer sich darin aufhält – Sie sollten nicht handeln, bevor Sie wissen, dass Florilinde dort ist. Wenn sie es nicht ist, versprechen Sie mir, dass Sie das Hafengebiet verlassen, zu Ihrem Schwager gehen und ihn bitten werden, eine Durchsuchung der Lagerhäuser zu veranlassen. Wenn sie Ihre Tochter weggebracht haben – was ist los?‹
    Er spürte, dass sie plötzlich stehen blieb, aber noch während er die Frage stellte, bekam er die Antwort in einer Welle von Kälte und Grauen, die über ihr zusammenschlug, der unverkennbaren Aura von schattengeborener Magie, die das Lagerhaus vor ihr verströmte.
    Telmaine raffte ihre Röcke und rannte los. Er begann: ›Telmaine!‹ Die schwache Andeutung einer Antwort besagte, dass sie jetzt handeln musste oder wie angewurzelt stehen bleiben würde, bis sie kamen, um sie zur Strecke zu bringen.
    Ishmael drehte sich auf der Gefängnispritsche auf den Rücken und umklammerte voller Qual das Gitter. Er griff nach ihr – gewiss würde es jetzt einfacher sein, da sie so lange miteinander in Verbindung gestanden hatten –, aber der Schmerz der nutzlosen Anstrengung war wie eine Feuerwand in seinem Schädel. Oh, grundgütige Imogene, dies konnte nicht noch einmal geschehen.
    Telmaine
    Telmaine erreichte die Mauer von Lagerhaus Nummer

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