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Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Titel: Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Sinclair
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war umso gewissenloser dadurch, dass sie jetzt glaubte, sie treffe irgendeine Schuld.
    »Nein, Bal«, sagte sie, bevor er sprechen konnte. »Du verstehst nicht. Ich … oh grundgütige Imogene, ich kann nicht …« Sie legte ihm eine Hand in den Nacken und zog seine Lippen zu einem verzweifelten Kuss an ihre. Er verspürte einen jähen Schock der Benommenheit, eine jähe Linderung des Schmerzes, ein jähes Aufwallen von Wohlergehen. Er kannte das Gefühl. Er wusste, dass es unmöglich war.
    Sein Peilruf klang von ihrem Antlitz wider und entblößte für einen Moment die feinen Knochen unter der Haut. Sie rollte sich von ihm weg und drehte ihm keuchend den Rücken zu. ›Es ist nicht unmöglich‹, erklang ihre Gedankenstimme, süß und klar wie das Geräusch eines Messers auf feinem Kristall.
    Wenn er glaubte, die Erkenntnis, dass sie sich in Ishmael di Studier verliebt hatte, habe ihn auf die Probe gestellt, so war dies ein großer Irrtum gewesen. Jetzt kam die Probe. Sie war eine Magierin. Sie kannte all seine Gefühle, hatte sie immer gekannt. Er rollte sich zu ihr hinüber, die Schmerzlosigkeit der Bewegung eine Offenbarung, und legte die Stirn an ihren Rücken. »Ich habe mich ein- oder zweimal durchaus gewundert«, hauchte er. »Aber ich … konnte mir nicht sicher sein.«
    Er holte tief Luft und legte seine Hand auf ihre beiden – eine intimere Berührung wäre ihm aufdringlich erschienen – und überließ sich ihr. Überließ ihr sein Erschrecken, seine Ehrfurcht, seine Beunruhigung und seine Befriedigung, zumindest gelegentlich so etwas wie einen halben Verdacht geschöpft zu haben. Ergab sich dem triumphierenden »Sie kennt mich« des Liebenden, das im Widerstreit lag mit dem »Sie weiß alles« des Mannes und ließ sie an der schnellen Rückschau der vielen Peinlichkeiten von Begierden, Gedanken und Erinnerungen teilnehmen, die das Gewissen jedes Mannes belasten und die er ebenso schnell, wie sie jetzt aufgetaucht waren, wieder verdrängte. Sie drehte sich um, klammerte sich an ihn und flüsterte: »Ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich.« Und endlich überließ er ihr Lysander und die Erinnerung an sein eigenes Verbrechen.
    »Ich wusste es«, wisperte sie. »Als ich heute Morgen kam, war es alles, woran du gedacht hast. Das war der Grund, warum …«
    Warum sie sich auf die Suche nach Florilinde gemacht hatte, allein, abgesehen von Ishmael di Studier. Jetzt war es an ihm, von Schuldgefühlen gepeinigt zu werden, und an ihr zu sagen: »Nicht.«
    »Wer weiß sonst noch davon?«, fragte er.
    »Nur Ishmael«, antwortete sie und weinte von Neuem.
    Er wusste, sie spürte seine Eifersucht, Reue und Erleichterung über den Tod des Rivalen. Grundgütige Imogene, dies war schwerer als alles, was er je zuvor getan hatte. Sie wich vor ihm zurück.
    »Bal, es tut mir leid. Ich wollte dich niemals täuschen …«
    »Ja, das hast du getan«, sagte er. Er würde nicht zulassen, dass sie ihn oder sich selbst belog. »Jeder, der sich selbst täuscht, kann nicht umhin, andere zu täuschen. Und ich denke, du hast dich tatsächlich selbst getäuscht in all diesen Jahren. Mit gutem Grund; dies muss eine schreckliche Last gewesen sein.« Er streckte die Hand nach ihrer Wange aus und zögerte. Er prallte vor neuer Entblößung zurück. Es hatte nicht lange gedauert. Er hatte so tapfer reagiert, wie er konnte, aber nun musste er sich eingestehen, dass er Zeit brauchte, um sich damit abzufinden. Sie war nicht die Frau, für die er sie gehalten hatte, und er versuchte, sie nicht zu verdammen. Er war nicht der Mann, für den er sich gehalten hatte, und schämte sich.
    »Sag … was du denkst«, flüsterte sie.
    »Ich werde ein wenig Zeit … brauchen, um mein Gleichgewicht wiederzufinden, Telmaine«, gestand er. »Wir werden Zeit brauchen, um ein neues Gleichgewicht zu finden in unserer Ehe.«
    Sie presste sich eine Hand auf die Lippen. »Ich habe mich so davor gefürchtet, dass dies geschehen könnte, seit du mich gebeten hast, deine Frau zu werden.«
    »War es das?«, fragte Balthasar und erinnerte sich an jene Zeit. In ihrem schönen jungen Gesicht hatte er unter einer greifbaren Freude Unbehagen bemerkt. Er hatte sich bemüht, möglichst unbeschwert darüber hinwegzugehen, obwohl es ihn damals furchtbar beunruhigte. »Ich dachte, ich hätte dich gekränkt und stünde im Begriff, mit der Pferdepeitsche von eurem Anwesen gejagt zu werden.«
    »Ich weiß«, sagte sie bedeutungsschwer. Bevor sie antwortete, hatte sie sich

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