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Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Titel: Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Sinclair
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Tochter. Versichern Sie Ihrer Gattin, dass ich nur dann mit ihr sprechen werde, wenn es sich nicht vermeiden lässt.«
    Als die Echos seines Sonars ihm zeigten, dass er wieder allein war, ließ Balthasar sich abermals in die Kissen sinken. Dann ertönten ein dumpfer Aufprall und ein Rascheln in der Tür zum inneren Schlafzimmer, und er hob den Kopf. Telmaine stand in der Tür und hielt sich mit beiden Händen am Türknauf fest.
    »Ishmael ist tot?«, fragte sie mit einem heiseren Flüstern. »Tot?«
    »Ich fürchte, so ist es«, sagte er.
    Er zog sich hoch, stützte sich mit einem Arm ab und hielt den anderen ausgestreckt, um sie zu empfangen, als sie durch den Raum gestolpert kam. Sie fiel quer übers Bett, das Gesicht auf seine Brust gedrückt, und begann zu weinen. Er ließ sich auf den Ellbogen und dann auf den Rücken nieder und nahm sie in die Arme, während sie schluchzte, als wolle sie nie mehr aufhören.
    In den frühen Jahren seiner Ehe hatte er sich gefragt, warum Telmaine seine Werbung ermutigt hatte, warum sie über all die Jahre des Widerstandes ihres Vaters hinweg gewartet und ihn dann mit offensichtlicher Zufriedenheit über ihre Wahl geheiratet hatte. Sie war so schön und von solch hoher Geburt, eine Cousine des Erzherzogs und auf vertrautem Fuß mit den Mitgliedern seines Kreises. Wenn er selbst ebenfalls in der Lage sein mochte, seine Abstammung auf Herzöge zurückzuführen, war diese Abstammung doch gefiltert durch eine lange Reihe jüngerer Söhne. Hearne mochte ein bemerkenswerter Name im öffentlichen Dienst und in intellektuellen Kreisen sein, aber er war weder mit einem Titel noch mit Besitz verbunden. Er fühlte sich unbehaglich in der noblen Gesellschaft ihrer Geburt, während ihn ihre Bereitwilligkeit, Gastgeberin für seine Zusammenkünfte von Wissenschaftlern, Ärzten und Stadträten zu spielen, beschämte. Alles, was er ihr zu bieten hatte, war seine Liebe. Bisweilen hatte er sich gefragt, was geschehen würde und ob sie ihre Wahl bereute, falls sie einen Mann ihrer eigenen Klasse kennenlernte, den sie lieben konnte. War Ishmael di Studier dieser Mann gewesen?
    Telmaines unglückliches Schluchzen verebbte schließlich. Er bewegte sie auf seiner Brust – sie lag auf seinen immer noch empfindlichen linken Rippen – und sagte leise: »Es war etwas zwischen euch, nicht wahr?«
    Entsetzt zog sie sich hoch; sie schien seine unwillkürliche Schmerzensgrimasse kaum wahrzunehmen. »Ich war dir niemals untreu, Balthasar! Niemals!«
    Er hatte seine Antwort. »Aber trotzdem war etwas zwischen euch. Etwas, das deinen Geist belasten wird, wenn du es nicht eingestehst, zumindest dir selbst gegenüber.«
    »Bal«, sagte sie mit einer von Schluchzen belegten Stimme. »Bal, tu es nicht.«
    Er fragte sich, ob er das Recht hatte weiterzusprechen. Als ihr Arzt hätte er es gehabt. Als ihr Ehemann … »Dann werde ich es nicht tun«, erwiderte er leise. »Du brauchst mir nichts zu erzählen. Aber versprich mir, dass du ehrlich zu dir selbst sein wirst. Ich habe zu viele Menschen kennengelernt, die Schaden genommen haben durch die Schuld, jemanden zu verlieren, für den sie ungeklärte Gefühle hegten. Ich will nicht, dass es dir ebenso ergeht.«
    Er war stolz auf das ruhige Mitgefühl in seiner Stimme. Ganz anders als seine widerstreitenden Gefühle, während er das Ausmaß der Intensität ihrer Trauer erfasste. Unbeschreibliche Dankbarkeit für sein eigenes Leben und das von Florilinde; Bewunderung für die Tüchtigkeit und Selbstlosigkeit des Mannes; Neugier auf und Wertschätzung für Ishmaels Vielschichtigkeit; ein Gefühl von Unterlegenheit, weniger was die Herkunft betraf, eher in Bezug auf die Durchhaltekraft, den Mut und die Entschlossenheit. Schuldgefühle: Weil er Ishmael Lysanders Erpressung preisgegeben hatte und weil ein kleiner Teil von ihm erleichtert über das Dahinscheiden eines Rivalen war.
    »Bal«, weinte Telmaine. »Bal, ich denke, ich habe ihn getötet.«
    Er umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen und hob es an, sodass er es sachte mit seinem Sonar streifen konnte. Er roch Rauch in ihrem Haar, auf ihrer Haut und auf dem versengten Stoff ihrer Unterröcke. Sie hatte sich einfach darin niedergelegt und nur das besudelte Kleid abgestreift, war aber ansonsten zu erschöpft gewesen, um sich umzuziehen. Trotz seiner Trauer und des Wissens um den Preis, den sowohl Guillaume als auch Ishmael bezahlt hatten, war er wütend auf beide Männer, weil sie sie derart in Gefahr gebracht hatten. Es

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