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Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Titel: Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Sinclair
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lähmte, konnte das den Tod bedeuten.
    »Wenn es irgendjemanden sonst gäbe, den ich fragen könnte, täte ich es«, sagte er zittrig. »Wenn ich Olivede rechtzeitig erreichen könnte, täte ich es. Aber Fürst Vladimer hat vielleicht keine Zeit . Irgendjemand muss mir dir gehen, um dir Rückendeckung zu geben.« Er war mit den Worten am Ende. In diesem Wissen streckte er die Hand aus, legte ihr die Finger auf die Wange und ließ in diese Geste all sein Verständnis fließen, seine Überzeugungen und seine Angst – um sie, um sich selbst, um ihre Kinder und um ihre Welt. Mit einem Aufschrei prallte Telmaine zurück. Dann hockten sie in geteiltem Schweigen da, und schließlich rollte sie sich von seinem Bett, stolperte aus dem Zimmer und ließ ihn von Reue gequält allein.
    Gerade als er den Brief an ihre Mutter beendete, kehrte sie zurück, in einem schlichten Reisekleid und Umhang, mit Mühe gefasst, behandschuht und parfümiert, um den anhaltenden Duft von Rauch zu überlagern. Er hätte sie vor dem Parfüm warnen sollen, dachte er zu spät, aber wahrscheinlich würde dieser kleine Nachteil ihnen am Ende nicht schaden. Er sagte nichts; es hätte keinen Sinn gehabt. Er hielt ihr den Brief hin; sie schüttelte den Kopf und weigerte sich, ihn zu lesen.
    »Ich habe der Zofe gesagt, dass ich dich zu einer kurzen Ausfahrt mitnehme«, erklärte sie. »Sie wird die Kinderfrauen des Hauses rufen, damit sie sich um die Kinder kümmern. Wenn wir nicht zurückkommen, werden sie annehmen, dass wir von der Sonnenaufgangsglocke überrascht worden sind und irgendwo Zuflucht gesucht haben.«
    Er sagte: »Da ich mir nicht sicher bin, wie weit wir darauf vertrauen können, dass uns Fürst Vladimers andere Agenten helfen, statt uns zu behindern – einmal ganz von dem abgesehen, was unsere Feinde tun könnten –, sollten wir zusehen, den Bahnhof zu erreichen, kurz bevor die Türen für den Tag geschlossen werden.«
    Sie zupfte seinen Kragen zurecht und hielt ihm seine Jacke hin, ganz so, als brächen sie zu einem gewöhnlichen späten Ausflug auf. »Du solltest draußen besser nicht zu munter wirken«, sagte sie voll bemühter Munterkeit.
    Als sie durch den Flur gingen, stützte er sich auf ihren Arm, wobei er leicht gebeugt ging und langsam wie ein Invalide und sich von ihrem Sonar leiten ließ. Sie kamen an den Räumen vorbei, die noch vor so kurzer Zeit Ishmael di Studier bewohnt hatte. Er brauchte kein Magier zu sein, um zu wissen, dass es ihr bewusst war; das Stocken ihres Atems verriet es ihm. Die Treppe hinunter, durch die Halle, wo sie den Dienern einige Anweisungen gab, wie ihre Rolle es erforderte. In seinen Ohren klang sie angespannt und unnatürlich, aber für Menschen, die sie nur als einen der vielen Besucher des Erzherzogs kannten, machte sie ihre Sache gut genug. Es war trotzdem eine Erleichterung, als sie in der Kutsche saßen.
    Auf seine gemurmelten Anweisungen hin befahl sie dem Kutscher, sie zu den botanischen Gärten zu bringen. »Warum dorthin?«, fragte sie.
    »Wir steigen an der Westseite der Springbrunnen aus, rennen zu dem Stand im Osten hinüber und fahren mit einer anderen Kutsche zum Bahnhof. Das sollte buchstäblich Sekunden vor dem Läuten der Sonnenaufgangsglocke geschehen. Falls uns jemand folgt, werden wir ihn auf diese Weise überraschen. Der Verkehr dort ist so stark, dass uns in einer Kutsche niemand verfolgen kann.«
    »So spät gibt es dort keine Kutsche, und sie werden uns nicht fahren wollen.«
    »Das werden sie für einen Zuschlag und die Gewissheit tun, dass sie an einen Ort fahren, an dem sie den Tag sicher verbringen und unmittelbar nach Sonnenuntergang einen einträglichen Fahrpreis erzielen können. Aber jeder, der uns folgen will, dürfte Probleme haben, da er nicht weiß, wo wir hinwollen.«
    Ihre Miene war skeptisch, aber Telmaine sagte nur: »Kannst du denn rennen?«
    »Ich werde es müssen«, erwiderte er. »Halte dich bereit.« Er beugte sich vor, zog das Fenster herunter und rief dem Kutscher zu, er solle bei den Springbrunnen anhalten. Die Kutsche kam mit einem plötzlichen und unnötigen Schlingern zum Stehen, das ihn beinahe auf Telmaines Schoß warf und ihn daran erinnerte, dass er noch vor Kurzem das Bett gehütet hatte. Er öffnete die Tür und rutschte halb den Tritt hinunter. Telmaine folgte mit damenhafter Anmut. Sie gab ihm die Münzen für den Kutscher, und Balthasar umfasste ihre Hand fest mit seiner, während er sich reckte, um den Kutscher zu bezahlen. Zu seiner

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