Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren
Linken hörte er das langsamer werdende Klappern eines Pferdes und das Knarren eines Fahrwerks. Sein Herzschlag beschleunigte sich. »Jetzt!«, sagte er und peilte das Gelände vor ihnen, den Schimmer von Wasserfontänen und feinem Nebel des riesigen Springbrunnens, das Gewimmel der Stare und Tauben, die verwaisten Sitze, die in einer weiten Kurve angelegt waren.
Sie rannten los. Dabei entriss Telmaine ihm die Hand, um ihre Röcke raffen zu können, Balthasar hielt sich die Seite. Vögel umflatterten ihre Füße. Eine Frauenstimme sagte: »Nun, wirklich!«, als er über eine Gestalt sprang, von der er verspätet bemerkte, dass es sich um einen kleinen Hund handelte. Sie spürten Sondierungen, aber nur sporadisch und wie von wenigen Personen herrührend. Zu dieser Stunde war der Platz bei den Springbrunnen fast verlassen, und in der Stille vernahm Balthasar hinter ihnen schnelle Schritte. Er warf einen wilden Peilruf geradeaus und versuchte, die stehenden Kutschen zu visualisieren und aufgrund der Haltung der Kutscher Rückschlüsse darauf zu ziehen, wer am neugierigsten und am wenigsten wachsam war. Telmaine zögerte nicht; sie rannte auf die nächstbeste Kutsche zu. »Wir fahren nur bis zum Bolingbroke-Bahnhof«, hörte er sie keuchen, leise, damit ihre Stimme nicht zu weit trug. »Bitte, schnell. Das hinter mir ist mein Vormund; er versucht, unsere Heirat zu verhindern.« Dann raffte sie, ohne auf irgendeine Zustimmung zu warten, die Balthasar hören konnte, ihre Röcke und kletterte hinauf in die Kutsche, bevor sie sich vorbeugte, um ihm zu helfen, sich ebenfalls in den Wagen zu ziehen. Die Kutsche setzte sich mit einem Schlingern in Bewegung, fuhr los und nahm Geschwindigkeit auf. Balthasar lag halb auf dem Sitz und halb daneben, und seine Seite brannte mit jedem mühsamen Atemzug. Telmaine hockte sich neben ihn. Er spürte ihre sanften Fingerspitzen auf der Stirn, und der Schmerz ließ nach. »Meinst du, er hat gehört, wo wir hinwollen?«, fragte er heiser.
»Ich glaube nicht«, sagte sie und riskierte es, sich aus dem Fenster zu beugen, um den Kutscher zu fragen, ob sie verfolgt würden. Das glaube er nicht. Sie ließ sich auf die abgenutzte Bank ihm gegenüber gleiten und peilte Balthasar. »Wen erwartest du denn?«
»Lass uns von einem Feind ausgehen. Bei Freunden kannst du dich später immer noch entschuldigen.«
»Kannst du es?«, sagte sie trocken.
Er beschloss, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Er richtete sich hoch auf, setzte sich zu ihr auf die Bank und legte einen Arm um sie. »Ich wusste nie, dass du ein heimliches Verlangen hast durchzubrennen«, bemerkte er.
Sie gab einen geringschätzigen Laut von sich. »Jedes Mädchen liest die gleichen törichten Romane. Was machen wir, wenn wir den Bahnhof erreichen?«
Die Sonnenaufgangsglocke begann zu läuten. Die Kutsche wurde schneller. Voller Erleichterung sagte Balthasar: »Wir werden rechtzeitig da sein. Wir kaufen die Fahrscheine und steigen in den Zug.«
»Ein Tageszug«, bemerkte sie. »Bal, wenn wir in Bezug auf diese Leute Recht haben, wird der Tag sie nicht aufhalten.«
»Ich weiß«, erwiderte Balthasar. »Ich hoffe, wir können schneller laufen als sie.«
»Warum? Falls … Ishmael und ich konnten über einige Entfernung hinweg miteinander sprechen, warum nicht sie?«
Bei dem Gedanken überkam ihn ein Frösteln; er wusste auf ihre Frage keine Antwort.
Sie erreichten den Bolingbroke-Bahnhof ohne weitere Zwischenfälle und fuhren ein, als die Sonnenaufgangsglocke verstummte und ein Bahnhofsbediensteter mit lauter Stimme darauf hinwies, dass jetzt die Tore geschlossen würden. Der Kutscher nahm ihre üppige Bezahlung entgegen, salutierte mit einem wissenden Grinsen und wünschte ihnen viel Glück. Er gab seinem Pferd das Signal, auf den geschlossenen Wagenstand und dessen Annehmlichkeiten zuzutraben. Balthasar folgte Telmaine in aller Eile, hielt jedoch in der Tür inne, um auf deren Schließen zu warten.
»Das ist es«, sagte er. »Dir ist doch klar, dass wir ein ziemliches Klischee sind. Zwei fliehende Liebende, die mit dem Tageszug reisen.«
Telmaine rümpfte die Nase. Wenn man allen Geschichten glauben wollte, waren die versiegelten Tageszüge voller Spione, Verschwörer, Juwelendiebe und durchbrennender oder ehebrecherischer Liebespaare, die allesamt ihrem verdienten Ende durch feurige Unfälle und restlose Verbrennung durch das Tageslicht entgegenratterten. Die Wirklichkeit, wie Balthasar sie in seinen Studententagen erlebt
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