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Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Titel: Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Sinclair
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gesellschaftlichen Kreisen gesehen, und das auch nur selten.
    »Ich nehme an«, sagte sie, nachdem sie zu ihrer alten Haltung zurückgefunden hatte, »dass diese Antwort gewöhnlich jedes Gespräch beendet.«
    Er trat einen Schritt zurück und verbeugte sich auf altmodisch höfliche Weise, die Hand aufs Herz gedrückt. »Das hoffe ich nicht, meine Dame«, sagte er ernst. »Ich entschuldige mich, falls ich Sie beleidigt habe. Dürfte ich Ihren Namen erfahren?«
    Während er sprach, bemerkte sie, dass die Hand, die er sich aufs Herz hielt, in einem langen Handschuh steckte, ähnlich denen der Falkner. Es war nicht in Mode, dass Männer im Haus Handschuhe trugen, ebenso wenig wie es für Frauen als modisch galt. Plötzlich kam ihr einer der Gründe, warum er nicht nur berühmt, sondern berüchtigt war, in den Sinn: Man sagte, Ishmael di Studier sei ein Magier.
    Sie unterdrückte ihr Erschrecken und sagte munter: »Ich bin Prinzessin Telmaine Stott Hearne, mein Herr, verheiratet mit Dr. Balthasar Hearne.«
    Wieder verbeugte er sich, diesmal mit der Hand an der Hosennaht. »Zu Ihren Diensten, sehr verehrte Prinzessin. Von Ihrem Mann habe ich bereits gehört. Wir haben eine gemeinsame Bekannte, die lichtgeborene Mistress Floria Weiße Hand.«
    »Gleich und Gleich gesellt sich gern«, bemerkte sie spitz. Es war die blanke Unvernunft, auf eine Frau eifersüchtig zu sein, die der eigene Ehemann niemals würde berühren können, ja, die er kaum wahrnehmen konnte, aber dennoch war sie da.
    »Ich betrachte das als Kompliment«, sagte er. »Die gnädige Floria ist, so sagt man, eine ausgezeichnete Schwertfechterin – und sie wäre ein ausgezeichneter Schwertfechter, wenn sie ein Mann wäre.«
    »Es muss ein angenehmes Gefühl sein«, erwiderte Telmaine, »wenn man sich in der Lage befindet zu entscheiden, was man als Kompliment und was man als etwas anderes auffasst. Solches Vertrauen in seine Fähigkeit zu haben.«
    »Meine Dame, dazu bedarf es keiner besonderen Fähigkeit. Es braucht nur Charakter. Fähigkeit bedeutet nur, es mit größerer oder geringerer Treffsicherheit zu entscheiden. Lässt man dies aus dem Spiel, dann bleibt, dass man Komplimente annehmen oder verwerfen kann, wie es einem beliebt.«
    Irgendwie erinnerte sie die Situation daran, wie sie Balthasar kennengelernt hatte. Natürlich sagten sie nicht das Gleiche, der schüchterne Gelehrte und dieser Baron Schattenjäger, aber was sie sagten, kam unerwartet, und beide ließen sich nicht leicht aus der Fassung bringen.
    Mit einem Jubel von Arpeggios zog der Automat aufs Neue ihrer beider Aufmerksamkeit auf sich. Der Baron sondierte die Maschine und schnaubte leise und wenig beeindruckt. Das ließ ihn in ihrer Achtung ein wenig steigen. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder ihr zu, schlug die Hacken zusammen und verbeugte sich kurz. »Sehr erfreut, Sie kennengelernt zu haben, Prinzessin Telmaine. Vielleicht darf ich hoffen, im Verlauf des Abends noch mit Ihnen zu tanzen.«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, ließ er sie stehen. Sie sandte ihm keinen Peilstrahl hinterher, aber die Echos des Ultraschalls anderer reichten, um sich eine Vorstellung von seinen leichten, energischen Bewegungen zu machen. Sie hatte das Gefühl, zurechtgewiesen worden zu sein, ohne zu wissen, wofür.
    Hinter ihr raschelte ein Kleid. »Telmaine!« Sie drehte sich um und sondierte eine junge Frau, die sich am Treppengeländer festhielt, mit breitem Mund und etwas schief sitzendem Spitzenschleier. »Du kannst unmöglich mit ihm tanzen. Denk an deinen Ruf!«
    »Sylvide!« Die Frau kam die letzten Stufen herab und warf sich in Telmaines ausgebreitete Arme, in eine Umarmung »wie zwei Rosen, die sich im Wind küssen«, wie ihre Lehrerin für Etikette, eine angehende Dichterin, es genannt hatte. »Meine liebste Sylvide, wie lange bist du schon wieder zurück?« Sylvides Ehemann war vor fünf Jahren als Botschafter auf die Scallon-Inseln entsandt worden.
    »Seit einem Monat, aber dann haben wir uns alle diese furchtbare fiebrige Erkältung zugezogen, und das Baby – du weißt doch, dass wir wieder Zuwachs bekommen haben vor sechs Monaten? – war so krank, und es ging uns allen so schlecht. Dansin hat immer noch einen furchtbaren Husten … Wenn dies hier Sommer sein soll, dann schaudert mich bei dem Gedanken, wie wohl der Winter wird: Ich habe mich so an die Wärme gewöhnt. Aber wie geht es dir? Das letzte Mal, als ich dich besucht habe, bevor wir auf die Inseln gezogen sind, warst du zu

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