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Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Titel: Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Sinclair
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klappernd losfuhr, stemmte ihre behandschuhten Hände gegen das Holz und lehnte ihre Stirn gegen die Tür. Sie hatte noch nie in ihrem Leben jemanden berührt, der ihre Berührung auf gleiche Weise erwidern konnte. Nie in ihrem Leben hatte sie gewusst, wie es sich anfühlte, durchschaut und erkannt zu werden. Sie wusste, was es bedeutete, wenn jemand sie begehrte, ja: Wann immer sie zusammenkamen, trank sie von Balthasars Begehren wie von schäumendem Wein. Um die berauschende Klarheit dieses Begehrens zu erhalten, gestattete sie Balthasar nicht, sie nach einem Streit zu lieben, bis sie den Streit mit Worten geheilt hatten. Aber als der Baron – Ishmael – sie küsste, spürte sie den Schmerz seiner verletzten Schulter, den Ärger, den er noch immer hegte, seine Angst, sein Begehren, die schmerzhafte Einsamkeit des Ausgestoßenen. Dann hatte sie eine Veränderung in seinen Gefühlen wahrgenommen, als er seinerseits ihre Gefühle aufgenommen hatte – wie sein Ärger beschwichtigt wurde, die Furcht von ihm abfiel, sich Überraschung in das Begehren mischte und aus der Einsamkeit Sehnsucht nach ihr wurde. Einen Moment lang hatte sie die Gegenseitigkeit solcher Gefühle gefangen gehalten, dann hatte sie sich gelöst und gewusst, dass er wusste, wie nah sie daran gewesen war, sich nicht von ihm zu lösen. Grundgütige Imogene, was war sie für eine Dirne – mit einem Ehemann, der halb totgeschlagen oben im Haus lag? Magie schien genauso verderblich, wie alle es behaupteten.
    »Telmaine«, sagte Olivede hinter ihr.
    Sie drehte sich um und nahm eine Abwehrhaltung ein. »Komm mir nicht zu nahe!«
    Stille folgte, dann strich Olivedes Sonar sanft über sie hinweg. »Dein Ausflug war also nicht erfolgreich. Das tut mir sehr leid.« Sie trat zurück und deutete auf das Wohnzimmer. »Meine Kollegen sind oben«, erklärte sie. »Du würdest dich vielleicht wohler fühlen, wenn du hier wartest, bis sie fertig sind.«
    Konnte die magiegeborene Frau – die mitten in der Halle stand und den Weg zur Treppe versperrte – den wilden Impuls spüren, der in ihr arbeitete? Einen Impuls, sie alle anzuschreien, Balthasar in Ruhe zu lassen. Einen Impuls, sie wenn nötig zu schlagen oder von ihm wegzuzerren. Sie erstickte den Aufschrei, bis nur ein Schluchzen übrig blieb, das den Aufruhr in ihrem Magen wieder aufleben ließ. Hier gab es keinen Baron, der ihr seinen Trank anbot – sie drängte sich an Olivede vorbei in den Abort im Erdgeschoss. Glücklicherweise ließ Olivede sie endlich allein.
    Zittrig, aber erleichtert stahl sie sich ins Wohnzimmer und schloss die Tür. Dort saß sie mit zurückgelehntem Kopf und stummem Sonar und regte sich auch nicht, als sie Schritte die Treppe herunterkommen hörte. Billige Sohlen, erkannte sie, billige Sohlen und den wachsamen Schritt eines fremden Mannes oder einer fremden Frau. Sie wappnete sich, als sie draußen vor der Tür Röcke rascheln und schnell gewechselte Worte hörte: Olivede, die ihren Magierkollegen dankte, gefolgt von einem leisen Wortwechsel die Frage betreffend, ob sie eine Kutsche nehmen sollten. Sie wusste, was sie tun sollte – sich erheben, zur Tür gehen, sie öffnen, ihnen gegenübertreten, ihnen Geld für eine Droschke anbieten, ihnen ihren Dank aussprechen. Sie schauderte. Ein Teil von ihr konnte nicht glauben, dass Balthasar nicht im Sterben lag oder bereits tot war, so zerstört wie sie selbst. Und so kauerte sie in ihrem Sessel, während die Diskussion zum Ende kam und Olivede schließlich sagte: »Ihr werdet eine Kutsche und eine Eskorte nehmen. Ich kann euch nicht unbewacht zurückschicken. Baron Strumheller würde der Schlag treffen.« Einen Moment später drang ein durchdringendes Pfeifen der gewöhnlichsten Art durch die Tür. Telmaine zuckte bei dem Gedanken zusammen, dass ihre vornehmen Nachbarn – oder auch nur die Droschkenkutscher – das hörten. Auf den Pfiff setzte nicht einer der Kutscher sein Gefährt in Bewegung. Schließlich zerriss ein weiterer Pfiff die Stille, gefolgt von einem »Verflucht sollen sie sein« von Olivede.
    »Wir sollten doch in der Lage sein, auf der Hauptstraße eine Kutsche zu bekommen«, bemerkte die junge Frau resigniert. »Vielleicht könnte ich zu Fuß dort hingehen und eine hierherkommen lassen.«
    »D-Denken Sie« – das war der junge Wachmann –, »dass es dem Baron etwas ausmachen würde,… wenn wir sein Automobil benutzten? Ich kann es fahren. Mein B-Bruder baut sie.«
    Telmaine erhob sich, und plötzlich schien es

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