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Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Titel: Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Sinclair
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helfen.« Sie brach ab. »Ich habe den beiden mein Leben anvertraut.«
    »Sehr gut«, erwiderte der Baron leise. »In einigen Wochen, wenn Sie sich vom Kindbett erholt haben …« Er beugte sich vor und flüsterte ihr kurz etwas ins Ohr. Vor Staunen blieb ihr der Mund offen stehen. »Sie sind nicht die erste Dame, in deren Vergangenheit es einen Fehltritt gab«, versicherte er ihr. »Aber jetzt sollten Sie am besten in ein Haus gehen, das besser bewacht ist als dieses, irgendwohin, wo die Leute Sie nicht suchen. Balthasar Hearne ist gestern Nacht nur sehr knapp mit dem Leben davongekommen, und es könnte sein, dass wir mit unserem Besuch hier Ihr Leben in Gefahr gebracht haben.«
    »Ich werde nicht … ich kann nicht …«
    »Das müssen sie selbst wissen«, sagte der Baron. »Dennoch rate ich Ihnen dazu. Jetzt werden wir uns empfehlen.«
    Telmaine
    Als sie in die Kutsche stiegen, bewegte sich der Baron, als schmerzten seine Knochen. Mit grimmiger Miene nahm er ihr gegenüber Platz.
    »Sie wusste überhaupt nichts«, sagte Telmaine.
    Er richtete sich auf. »Nein, gnädige Frau. Sie wusste nichts. Und Sie haben ihr wahrlich hart zugesetzt.«
    Sie runzelte die Stirn, beunruhigt von dem energischen Klang seiner Stimme.
    »Ist irgendetwas nicht in Ordnung? Schmerzt Ihre Schulter?«
    »Ja, das tut sie«, erwiderte er. »Es ist eine Sache, mithilfe von Berührungen die Gedanken anderer zu lesen, und eine ganz andere, in ihren Geist zu greifen und sich etwas zu nehmen. Sie haben Letzteres getan; ich musste ihre Lebenskraft wieder auffüllen, und das hat mich einiges gekostet. Verehrte Telmaine, Sie sind als Magierin ein Dutzend mal stärker als ich. Sie müssen vorsichtig sein.«
    Da sie nicht verstand, warum ihr einziger Verbündeter sie tadelte, und da sie nicht wusste, ob sie überhaupt etwas tun könnte, wenn ihr die Gründe klar geworden wären, begann sie zu weinen.
    Kurz darauf hörte sie, dass er sich regte. »Tun Sie das nicht«, brummte er.
    »Warum? Gehören Sie zu den Männern, die weinende Frauen nicht ertragen können?«
    »Nein«, antwortete er nach kurzem Bedenken. »Obwohl ich jene Frauen nicht ertragen kann, die damit ihren Willen durchsetzen wollen.« Er ließ den Kopf in die Hand sinken und stieß ein absurd mädchenhaftes Schluchzen aus, und sie spürte einen zarten kleinen Peilruf auf ihrem Gesicht. Er schluchzte abermals und peilte erneut, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte: Sie kicherte, auch wenn darin ein wenig Hysterie lag. »Wahrhaftig, Baron«, sagte sie. »Ich wusste gar nicht, dass Sie ein so guter Schauspieler sind.«
    Er ließ die Hand sinken. »Ich bin ein sehr guter Schauspieler, verehrte Telmaine«, erwiderte er, ohne zu lächeln. »Genau wie Sie.«
    Sie tat die Bemerkung mit einer nervösen Handbewegung ab.
    »Gnädige Frau, Sie gelten in der feinsten Gesellschaft als geradezu vollkommene Dame. Oh, ein wenig radikal in der Wahl Ihres Ehemannes, das ist wahr – aber nichts von dem, was ich über Sie gehört habe, hätte mich die Wahrheit auch nur ahnen lassen. Bis ich Sie gepeilt habe, als Sie neben diesem lächerlichen Automaten die Treppe herunterkamen, mit Handschuhen, die Ihnen bis zu Ihren schönen Schultern reichten.«
    »Lächerlich«, erwiderte sie pikiert. Ihr Verstand scheute vor dem Rest seiner Feststellung zurück.
    »Ja, das war er. Diese ganze Maschinerie, nur um eine einzige silberne Kugel zu bewegen?«
    Telmaine holte tief Luft, um sich zu beruhigen, und war dankbar für die kurze Atempause, die er ihr gewährte. »Was machen wir jetzt?«
    »Ich bringe Sie nach Hause zu Ihrem Mann.« Sie hörte das Rascheln einer Bewegung, als er in Erwartung von Einwänden eine Hand hob. »Telmaine, ich muss an Orte, die keine Dame aufsuchen sollte. Ich werde meine gesamte Geistesgegenwart benötigen, und Sie, gnädige Frau, sind eine starke Ablenkung. Ich wünschte, ich wäre Ihnen vor ihm begegnet.«
    »Baron«, sagte sie, »wenn Sie mir begegnet wären, als ich siebzehn Jahre alt war, wäre ich gesprungen wie ein gejagtes Reh.«
    Er warf den Kopf in den Nacken und lachte, dann zuckte er zusammen und hielt sich den Arm.
    Da sie nicht mehr gesagt hatte als die Wahrheit, ließ sie ihn lachen. Sie kaute auf der Innenseite ihrer Unterlippe und lauschte dem Rattern der Räder auf den nun gröberen Pflastersteinen: Sie mussten die vornehmen Wohngegenden hinter sich gelassen haben. Telmaine wünschte sich von Herzen, sie hätte sich nicht gezwungen gefühlt, ihm diese Frage zu stellen,

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