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Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall

Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall

Titel: Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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seine Handschuhe in einen Eimer. «Lassen Sie uns rausgehen und irgendwas trinken.»
    Guerrini nickte und warf einen fragenden Blick auf den Toten. «Lassen Sie ihn so liegen?»
    «Mein Assistent wird ihm gleich noch Finger- und Handabdrücke abnehmen, dann kommt er wieder in die Kühlung.»
    Mit einem Anflug leichter Übelkeit wandte Guerrini sich zur Tür. Aufatmend wartete er in dem hohen Vorraum auf den Gerichtsmediziner.
    «Sie vertragen die Luft da drin auch nicht, wie?», murmelte Salvia, während er in seinen Mantel schlüpfte. «Dabei war das noch nicht mal eine stinkende Leiche.»
    «Wie geht es dem alten Professor Granelli?», fragte Guerrini, um Salvia von seinem Geruchsthema abzulenken. «Ich hab ihn schon lange nicht mehr gesehen.»
    «Ah, dem geht es gut. Er ist gerade auf Vortragsreise in den USA .»
    «Das schafft er immer noch? Er muss doch mindestens Ende siebzig sein.»
    «Locker schafft er das. Er redet nur noch über das Geheimnis der Leichen, hat sich zum Philosophen der Gerichtsmedizin entwickelt. Vielleicht schaffe ich das auch mal, falls ich so lange lebe.»
    Sie traten auf die graue Straße hinaus. Das Kopfsteinpflaster glänzte im Nieselregen, der fast schon in Schnee überging, die hohen Häuserzeilen schienen mit ihren Dächern an die tiefhängenden Nebelwolken zu stoßen, Durchgänge glichen schwarzen Löchern, in denen man verschwinden könnte, um nie wiederaufzutauchen. Siena wirkte auf Guerrini wie ein trübes verblichenes Foto. Einzige Farbtupfer waren die bunten Regenschirme fröstelnder Bewohner, die sich schneller als üblich bewegten. Wie auf der Flucht, dachte er und beschleunigte ebenfalls seinen Schritt. Er hasste den Winter.
    «Hehe! Wir sind ja schon da! Meine Stammbar, garantiert ohne Formaldehyd und Desinfektionsmittel!» Salvia war stehen geblieben und winkte Guerrini zurück. «Dove va, Commissario?»
    «Beh, ich war ganz in Gedanken, Dottore.»
    Salvia hielt die Tür auf, und hintereinander betraten sie die kleine Bar, in der geradezu tropische Hitze herrschte. Es duftete nach frischem Kaffee und süßem Gebäck. Der junge Mann hinter dem Tresen begrüßte Salvia geradezu überschwänglich, schimpfte dann über das Wetter, das allerdings gut fürs Geschäft sei, denn fast jeder, der vorbeilaufe, trinke schnell einen heißen Caffè, Tee oder vin brulé bei ihm.
    «Aber der Regen», jammerte er, «der Regen hört ja nicht mehr auf. Den ganzen November regnet es schon, als hätten sich Gott und die Welt gegen uns verschworen. Bei Pisa und Lucca steht alles unter Wasser, wie bei der Sintflut. Die brauchen bald eine Arche da unten. Vielleicht hat es etwas mit unserer Regierung zu tun, was meinen Sie, Dottor Salvia?»
    «Wer weiß, Luciano, wer weiß! Einen Caffè corretto für mich und ein Stück Spinatpizza … und Sie, Commissario?»
    «Das nehme ich auch.»
    Sie setzten sich an einen kleinen Tisch unterm Fenster, nahe an der Heizung.
    «Also, was denken Sie, Commissario? Ist das ein Mafiamord? Es wäre mein erster. Quasi eine Initiation, nicht wahr!»
    «Ich bin mir nicht sicher. Das könnte auch eine falsche Spur sein, auf die man uns führen will. Solange wir nicht wissen, wer der Tote ist, lasse ich solche Spekulationen. Es könnte auch ganz anders sein. Ich habe da eine vage Ahnung, über die ich noch nicht sprechen kann.»
    «Lassen Sie mich raten, Commissario: Rache an einem Bankmanager? So sieht der Typ allerdings nicht aus. Obwohl … einige unserer Minister könnten durchaus seine Brüder sein. Warten Sie, vielleicht ist er ein korrupter Politiker?»
    «Liegt alles durchaus nahe, Salvia. Sie sind wirklich nicht schlecht. Aber sagen Sie solche Dinge niemals gegenüber meinem Stellvertreter Lana. Der ist so stramm auf Regierungskurs, dass er alle Hebel in Bewegung setzen würde, um Sie nach Sizilien zu verfrachten oder als Lagerarzt nach Lampedusa.»
    Salvia verzog das Gesicht. «Und warum macht er das nicht mit Ihnen? Ich meine, jeder kennt doch Ihre politische Meinung …»
    «Weil ich noch immer sein Vorgesetzter bin und der Questore nicht unbedingt anderer Meinung ist als ich. Wie lange er das durchhält, weiß allerdings niemand. Ah, grazie!»
    Luciano stellte Caffè und Pizze auf den Tisch, wünschte guten Appetit und eilte zur Kaffeemaschine zurück, weil immer mehr durchfrorene Sieneser in die kleine Bar drängten.
    Guerrini und Salvia prosteten sich mit den kleinen Kaffeetassen zu, stellten grinsend fest, dass sie mehr Grappa als Caffè enthielten, und

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