Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall
machten sich über die warmen Pizzastücke her.
«Manchmal», murmelte der Arzt mit vollem Mund, «manchmal glaube ich einfach nicht, dass wirklich geschieht, was geschieht.»
Als Guerrini eine halbe Stunde später die Questura betrat, grüßte D’Annunzio auf so verschwörerische Weise, dass er höchst beunruhigt war.
«Sag schon was los ist, D’Annunzio!»
«Eine Signora sitzt in Ihrem Zimmer, Commissario. Ich wollte sie erst hier warten lassen, aber dann kam Tommasini und hat sie einfach mitgenommen. Er kannte die Signora und hat gesagt, dass die Sache in Ordnung wäre und sie im Zimmer des Commissario warten könnte.»
«Wenn Tommasini das gesagt hat, dann wird es schon stimmen», murmelte Guerrini. «Hat die Signora einen Namen genannt?»
«Nein, Commissario. Ich kannte sie auch nicht. Keine Ahnung, wirklich.»
Immerhin, dachte Guerrini. Wenigstens kennt D’Annunzio meine Exfrau nicht. Hoffentlich hält Tommasini den Mund. Wieso kommt sie eigentlich hierher, was denkt sie sich dabei? Er nickte dem jungen Polizisten zu und machte sich auf den Weg in sein Büro, ging erst langsam, dann immer schneller. Das durfte Carlotta nicht machen! Nicht an seinem Arbeitsplatz, das war schlechter Stil! Ärgerlich stieß er die Tür zu seinem Zimmer auf, sie entglitt seiner Hand und knallte mit Schwung gegen die Wand.
«Madonna mia!» Die Frau hatte mit dem Rücken zu ihm am Fenster gestanden, jetzt fuhr sie herum und bekreuzigte sich.
«Signora Piselli!»
Guerrini stand wie vom Donner gerührt. Er war so überzeugt gewesen, auf seine Exfrau Carlotta zu treffen, dass er den Anblick der ehemaligen Haushälterin des verstorbenen deutschen Schriftstellers Giorgio Altlander für eine Erscheinung hielt.
«Sì, Commissario. Entschuldigen Sie, dass ich in Ihrem Büro bin, aber Ihr Kollege hat mich hier reingeführt. Ich kann nichts dafür, wirklich!»
«Ist ja schon in Ordnung. Ich hatte nur jemand anderen erwartet. Es ist eine Überraschung, Sie zu sehen.»
Die kleine rundliche Frau nickte bekümmert und steckte eine Haarsträhne zurück in den Knoten, den sie im Nacken trug. «Seit dem Tod von Signor Altlander haben wir uns nicht mehr gesehen. Das ist schon ein Jahr her, vero? Und Sie wissen immer noch nicht, wer ihn umgebracht hat, sonst hätte ich es in der Zeitung gelesen, vero?»
«Wahrscheinlich hat er sich selbst umgebracht», knurrte Guerrini, der keine Lust verspürte, mit der ehemaligen Haushälterin Altlanders diesen ungelösten Fall zu diskutieren.
«Ah, das glauben Sie doch selbst nicht, Commissario!» Angela Piselli hob das Kinn und verzog den Mund. «Aber deshalb bin ich nicht gekommen.»
Guerrini konnte es nicht ausstehen, wenn andere ihn zu Nachfragen zwangen, deshalb reagierte er nicht, schloss sanft die Tür hinter sich, zog seinen Mantel aus und hängte ihn sorgsam auf einen Kleiderbügel. Seine Taktik wirkte. Angela Piselli räusperte sich. Guerrini legte seinen roten Schal über den Mantel, schaute kurz in den Spiegel über dem Waschbecken und strich über sein Haar.
«Ich wollte mit Ihnen reden, Commissario. Es geht um meinen Mann.»
«Mhm.»
«Na ja, eigentlich geht es nicht nur um meinen Mann, sondern um unseren Hof, unsere Werkstatt. Um alles. Und ich sage Ihnen, es wäre nie passiert, wenn Signor Altlander noch leben würde!»
Guerrini schob ein paar Akten auf seinem Schreibtisch zur Seite.
«Beh, warum sagen Sie denn nichts, Commissario? Hören Sie mir überhaupt zu? Also, ich kann Ihnen eins sagen, dass ich die Stelle bei Signor Altlander verloren habe, war ein großes Unglück. Ich hab seitdem keine so gute mehr gefunden. Der Herr hab ihn selig!»
Guerrini seufzte, Angela Piselli ebenfalls.
«Ja, so ist das eben. Sie brauchen nicht zufällig eine Haushälterin, Commissario?»
«Sind Sie deshalb hergekommen, Signora? Nein, ich brauche keine. Es tut mir leid: Ich habe eine, und die behalte ich auch!»
Angela Piselli hob beide Hände und schüttelte den Kopf. «Nein, deshalb bin ich nicht gekommen, obwohl ich gern bei Ihnen arbeiten würde, Commissario. Ich bin gekommen, weil wir … wie soll ich sagen … wir haben Schulden. Unsere Landwirtschaft ist einfach zu klein, und die Schreinerei hat kaum noch Aufträge. Das habe ich meinem Mann immer schon gesagt, aber er wollte ja nie hören! Er wollte so weitermachen wie sein Vater und sein Großvater: mit ein paar Schafen, Ziegen, ein bisschen Wein, ein paar Oliven, ein bisschen Gemüse, ein paar Eiern von den Hühnern und mit
Weitere Kostenlose Bücher