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Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall

Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall

Titel: Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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mag seine Leichen, er geht beinahe zärtlich mit ihnen um. Er ist gar keine Krähe. Krähen hacken Toten die Augen aus, der Doktor macht sie ihnen zu und streicht ihnen übers Haar.
    Jetzt erst betrachtete sie Sutton. Wächsern sah er aus, gelblich weiß, glatt und perfekt wie eine Puppe. Nur der kreuzartige rote Schnitt, mit dem der Pathologe ihn aufgebrochen hatte, störte diese Vollkommenheit. Wie komme ich auf aufgebrochen?, dachte Laura. Wild bricht man auf. Aber es stimmte irgendwie. Obduktionen waren ihr schon immer wie das Aufbrechen und Ausnehmen von Tieren vorgekommen.
    Sutton war ein schöner Mann, schlank, kaum behaart, durchtrainiert, feingliedrige Hände und Füße. Noch immer trug sein Gesicht einen beinahe erstaunten Ausdruck, als hätte er im Tod die Augenbrauen angehoben, weil ihm etwas Unerwartetes zugestoßen war. Sein dunkelbraunes Haar fiel in einer lockigen Welle zur Seite und glänzte erschreckend lebendig.
    Der Arzt hatte ihn mit groben Stichen wieder zugenäht und auf diese Weise ein rotes großes Kreuz auf Suttons Körper hinterlassen.
    «Ihre Patienten sehen immer aus wie gekreuzigt», murmelte Laura, «als hätten Sie ihnen ein Kreuz aus dem Körper geschnitten, das sie immer schon mit sich herumgetragen haben.»
    Der Pathologe schob seine Brille bis auf die Nasenspitze und musterte Laura aus leicht zusammengekniffenen Augen.
    «Ein origineller Gedanke, Laura. Da könnte etwas dran sein. Allerdings weiß ich nur selten, welches Kreuz es ist.»
    «Das ist dann auch mehr meine Aufgabe, oder?»
    «So ist es.»
    «Sie sagten vorhin, dass er die interessanteste Leiche sei, die Sie heute zu begutachten haben. Was ist so interessant an Sutton?»
    «Er hatte keine äußeren Verletzungen, und er war kerngesund. Ich konnte keinerlei Ursachen für einen natürlichen Tod feststellen. Absolut nichts. Aber er hat eine Menge K.-o.-Tropfen geschluckt, das konnten wir schon nachweisen. So was nimmt man nicht freiwillig. Irgendwer hat ihm diese Tropfen in seinen Whisky gemischt, nehme ich jedenfalls an. Mal sehen, was eure Spurensicherung rausfindet.»
    «Nichts», erwiderte Laura. «Glas, Flasche, Flascheninhalt … alles Fehlanzeige. Auch sonst alles negativ.»
    Der Arzt gab beim Ausatmen einen zischenden Laut von sich und schüttelte den Kopf. «Es muss was geben. An K.-o.-Tropfen stirbt man nicht. Ich werde ihn mir nochmal ganz genau ansehen und verschiedene andere Bluttests machen lassen.»
    «Was denken Sie also, Doktor?»
    Der Gerichtsmediziner verschränkte die Arme vor der Brust, musterte stirnrunzelnd den Toten und zuckte dann die Achseln.
    «Schwer zu sagen. Aber ich denke, dass jemand nachgeholfen hat. Jemand, der ziemlich ausgebufft ist, Laura. Eine eiskalte Person, die sich verdammt gut mit medizinischen Fakten auskennt.»
    «Ein Arzt?»
    «Eine Ärztin oder Krankenschwester … denken Sie mal mehr in die weibliche Richtung.»
    «Weshalb?»
    «Nur so ein Gefühl.»
    «Er war ein Gigolo, glaub ich jedenfalls.»
    «Hatte ja alles, was man dazu braucht.»
    «Vermutlich hat er Frauen um Geld betrogen.»
    «Das haben Gigolos so an sich, nicht wahr? Es gibt ja auch jede Menge Frauen, die Männer um ihr Geld erleichtern.»
    «Sind Sie heute in der Stimmung für ausgleichende Gerechtigkeit?»
    «Ach, wissen Sie, Laura, je mehr ich sehe und höre, desto häufiger komme ich in genau diese Stimmung.» Sorgsam bedeckte Doktor Reiss den Toten wieder mit dem dünnen Leichentuch. «Wie oft waren die Opfer auch gleichzeitig Täter? In erschreckend vielen Fällen. Sie wissen doch genauso gut wie ich, dass es unendlich viele Möglichkeiten gibt, Menschen zum Äußersten zu reizen. Vielleicht hat er genau das getan, dieser Sir Benjamin Sutton.»
    «Wir haben Gedichte bei ihm gefunden.»
    «Gedichte?» Wieder sah der Arzt sie über den Brillenrand hinweg an. Er hatte sehr hellblaue Augen, die sich ein bisschen aus ihren Höhlen vorwölbten, seine Wimpern waren kurz und farblos.
    «Ja, Gedichte. Liebesgedichte, Abschiedsgedichte an seine Liebsten oder Opfer, wenn Sie so wollen. Sie gehörten wohl zu seinem Werkzeug, oder sollte ich sie besser als Produktionsmittel bezeichnen?»
    «Was stört Sie daran, Laura? Er war ein Gigolo.»
    «Der Missbrauch von Gefühlen stört mich.»
    «Ist das nicht der Beruf eines Gigolos? Missbrauch von Gefühlen?»
    «Ja, natürlich», murmelte sie. «Ich danke Ihnen, bin gespannt auf die Ergebnisse der weiteren Untersuchungen.»
    «Stimmt etwas nicht?» Doktor Reiss musterte

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