Nachtgesang
zu mir noch viel schneller. Doch Malinari wollte nicht, dass man ihm den Zugriff verweigerte; er las ihre telepathischen Nachrichten ebenfalls und interpretierte sie, so gut er konnte. Und was ihr Wissen anbelangt:
Es war, als ob Zeks Vergangenheit, ihre Erinnerung, ihr Verständnis der Welt ... als ob all dies Eisenfeilspäne wären und Malinaris Geist ein riesiger Magnet, der sie aus ihr herauszog. Aber sie kämpfte – oh, wie sie kämpfte –, so sehr, dass es ihr gelang, mir die Gedanken des Augenblicks zu übertragen, nicht die der Vergangenheit. Es gelang ihr, mich Dinge lesen zu lassen, wie sie waren, und mir in kaleidoskopartigen, telepathischen Szenen zu erzählen, wie sie sich fühlte und wie die Welt aussehen würde, wenn sie ihre Warnung nicht erhielt.
Aber sie wusste, dass sie nicht weitermachen konnte – nicht weitermachen durfte –, denn er nahm zu viel und wenn sie ihn ließ, bekam er alle Informationen. Über mich, über das E-Dezernat, unsere ESPer und ihre Talente, Malinari würde alles erfahren, wenn sie ihn ließ.
In der Zwischenzeit waren die anderen aus dem Schacht herausgekommen: Vavara, die in Zeks Geist unglaublich schön war, von ihrer eigenen Ausstrahlung umschienen wurde, ihre Schönheit bewusst einsetzte, um Zek durch ihre Präsenz weiter zu schwächen. Und ich sah sie, aber ich werde euch eine Beschreibung ersparen, denn ich weiß, dass jegliche Beschreibung unzutreffend wäre. Denn die Schönheit einer Vampir-Lady geht buchstäblich unter die Haut. Lasst mich nur Folgendes sagen: Die meisten Frauen – junge Frauen, besonders die sehr hübschen – würden sie hassen; sie würden sich unwiderstehlich zu ihr hingezogen fühlen, aber sie würden sie hassen. Und selbst der gleichgültigste Mann, ein Mann, der von seinen Eskapaden erschöpft und bis ins Innerste befriedigt ist, würde Vavara begehren.
Und zuletzt Lord Szwartz. Dunkelheit ... ein schwebendes, waberndes Etwas ... eine Gestalt ohne Gestalt ... das Nonplusultra des Metamorphismus ... der jede feste Gestalt verschmähte und stattdessen sein Protoplasma ständig, kontinuierlich, unaufhörlich verwandelte. Ein vor dem Licht fliehender Vampir, der mehr davor flüchtete als jeder andere Große Vampir: Der nächstliegende Vergleich wäre der mit Nathan Keoghs Beschreibung von Eygor Todesblick aus der Irrenstatt in Turgosheim, in der Vampirwelt. Aber wo Eygor aus Fleisch und Blut bestand – wenn auch dem Fleisch und Blut anderer –, bestand Szwartz aus sehr viel elementarerem Material. Und das meiste davon war Dunkelheit.
Vavara sah Zek, die von Nephran Malinari festgehalten wurde, und sagte, da sie eifersüchtig auf jegliche von Natur aus attraktive Frau war: ›Nimm, was du willst und bring es zu Ende.‹ Ihre Stimme war so schön wie ihre trügerische Gestalt, so hässlich wie ihre Worte. Und die von Szwartz war ein Zischen aus temporär mit Luft gefüllten Lungen, die in dem Moment entstanden zu sein schienen, um ihm das Sprechen zu ermöglichen:
›Ja, bring es hinter dich. Es gibt da oben Jüngere ... süßes Fleisch zu freeessen ... und eine ganze Welt zu erobern.‹
Aber Malinari erwiderte, während er seine schlanke Hand bewegte, um Zeks Kinn zu heben: ›Nein, ah, nein. Sie bekämpft mich mit eisernem Willen und ich will, was in ihr ist.‹ Zu Zek – und durch sie zu mir – sagte er: ›Weißt du, dass die Augen der Spiegel zur Seele sind? Es stimmt, Zekintha. Aber für meine Finger sind sie auch ein Weg ins Gedächtnis. Ich werde langsam müde und verliere die Geduld.‹ Er hielt seine zwei Finger vor sie, zielte auf sie, nur Zentimeter von ihren Augen entfernt.
Zek wusste, was er tun würde; aber als sie seine vibrierenden, von lilafarbenen Venen durchzogenen, langen Finger sah, die auf sie zukamen, wusste sie auch, was sie tun musste. Sie gab ihm freiwillig ein Bild, schmiss es auf ihn, zeigte ihm das Schicksal, das sie für ihn und die anderen ausersehen hatte und brannte es in sein neugieriges Gehirn. Oh, sie log – beschrieb eine Zerstörung, die die Wahrheit weit übertrieb, die die Tür in Form von Feuer und verformtem Beton zerriss und ihn selbst hier oben noch bedrohte –, und vielleicht ahnte Lord Malinari, dass es eine Lüge war. Aber mit Zeks Augen, die auf die Luke gerichtet waren, aus der gerade der letzte von drei Leutnants kletterte, konnte er kein Risiko eingehen.
›Was?‹, fragte er wütend, während er einen Schritt zurückwich. ›Und war das für mich, für uns?‹ Dann hob er sie
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