Nachtgesang
senden, sondern sie nur empfangen, aber sie wusste, dass andere – und besonders starke Vampire – ihre Präsenz erspüren, wenn nicht sogar ihre Gedanken lesen konnten: Das war ein Resultat des Telepathie-Triebes, der in vielen von ihnen vorhanden war. Deshalb fungierten viele Vampire als »Spürnasen«. Tatsächlich konnten die besten (oder schlimmsten) von ihnen ein menschliches Wesen genauso gut aufspüren wie ein großer Spürhund. Aber was machte das schon ... sie wussten ja schon, dass sie da war.
Jakes Gedanken waren sofort erreichbar:
Fuck! , dachte er. Oh verdammt, sie haben den Wagen! Sie sind hinter mir her! Und dennoch war er sogar jetzt kaum von Panik ergriffen. Er hatte schon zu oft in der Klemme gesessen.
Aber: Tu es! , versuchte Liz ihm zu sagen, um ihn zu einer Aktion zu zwingen. Tu es jetzt, um Gottes willen! (Oder wenn schon nicht um Gottes, dann wenigstens um Liz’ willen!)
Er konnte sie nicht hören, natürlich nicht, aber der andere Jake, sein anderes Ich, müsste doch bald zum Vorschein kommen. Nun, offensichtlich nicht. Hinter Liz waren die Schritte ihres Verfolgers laut und deutlich zu hören, genau wie das Klackern der Kieselsteine, die von seinen stampfenden Füßen zur Seite geschleudert wurden.
Sie legte noch weiter an Tempo zu (ein letzter Spurt, denn ihre Kräfte verließen sie allmählich), saugte begierig große Mengen Luft durch ihren Mund in die Lungen und schlug die Richtung ein, aus der Jakes Gedanken gekommen waren, oder wo sie glaubte, dass er sein würde ...
Jake war sehr angespannt, aber offensichtlich noch nicht genug. Die Nasenstöpsel brachten ihn fast um, aber man hatte ihn über die Gefahren aufgeklärt, die ihm blühten, wenn er sie entfernte. Alles gut soweit, aber seine Kehle schmerzte, weil er die trockene, staubige Luft einatmete, und da er Blutspritzer abbekommen hatte, war es nicht unwahrscheinlich, dass er sowieso schon verseucht war. Gott, wie sehr er jetzt ein Bier gebrauchen konnte, auch ein warmes – allerdings hätte er wahrscheinlich kaum die Zeit, es zu trinken!
Der Rover war ihm auf den Fersen, war genau hinter ihm, als Jake einen flach geschnittenen Felsen sah. Er warf sich zur Seite und das Fahrzeug rutschte und wirbelte eine Staubwolke auf, als der Fahrer versuchte, das Lenkrad herumzureißen. Jake wusste, dass der Rover ihn erwischt hätte, wenn er sich nicht im letzten Augenblick in Sicherheit gebracht hätte. Das hätte ihn sicher nicht umgebracht, aber doch zumindest kampfunfähig gemacht. Dieser große Felsen war seine einzige Chance.
Er sprang auf den Rand des Steins und kletterte auf seine flache Oberseite, als der Landrover anhielt. Zwei Männer saßen im Wagen; er konnte sie sich zumindest als Männer vorstellen. Einer schien etwas benommen: Er musste ein frisch Verwandelter, ein Neuling oder ein Knecht sein. Aber der andere, der Fahrer ... der grinste ihn an wie Satan selbst. Ein Leutnant? Jake wagte es noch nicht einmal zu raten. Das war Jakes erstes Mal. Und er steckte bis zum Hals im Schlamassel!
Der Fahrer war in Sekundenschnelle aus dem Auto, duckte sich und verschwand unter dem Rand des Felsens, bevor Jake ihm eine Kugel in den Körper jagen konnte. Der andere war langsamer und Jakes erster Schuss traf ihn direkt am Kopf. Nun, wer oder was auch immer er war, er würde es nicht mehr auf die Füße schaffen.
Jake fühlte sich trotz seiner Vergangenheit schlecht, weil er wieder einen Mann getötet hatte. Nur, dass dies kein Mensch gewesen war, nicht mehr. Aber der Anblick des explodierenden Vampirkopfs – die roten, nassen Spritzer, oder welche Farbe auch immer sie hatten –, eine schwarze Masse im Mondlicht ...
... Dann fragte sich Jake: Welches Mondlicht? Eine Wolke, nur eine verdammte Wolke im sonst klaren Nachthimmel hatte die Fratze des Mondes zu drei Vierteln bedeckt. Ganz plötzlich war die Nacht pechschwarz und die Scheinwerferlichter des Rovers zeigten in eine für ihn ungünstige Richtung. Die Dunkelheit begünstigt Vampire und Jake wusste, dass er jetzt handeln musste.
Auf dem flachen Felsen konnte man sich höchstens zwei Schritte weit bewegen. Jake machte sie, nahm Anlauf und warf sich in Richtung des Rovers, die Arme ausgestreckt, um sich abzustützen. Aber noch im Sprung spürte er einen starken Arm, dessen Hand in die Höhe schnellte und seinen linken Fuß umfasste. Jakes Schwung trieb ihn vorwärts, sein im Sprung geduckter Körper drehte sich wie ein Pendel am Ende des unglaublich starken Arms. Als er
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