Nachtgesang
eigentlich auch egal, was es war. Was ich hier gesehen habe, war Mord! Es gibt keine andere Bezeichnung dafür. Ich ... ich kann nicht glauben, was ich hier gesehen habe... kaltblütiger Mord, Goodly! Und jemand wird dafür Rede und Antwort stehen müssen. Ich verlange hier und jetzt eine Antwort!«
»Wer ist das?«, fragte Liz.
Trask runzelte die Stirn. »Er ist unser lokaler Verbindungsmann in der Western Desert. Eine Handvoll Spitzenleute der australischen Regierung weiß, was wir tun und wie wichtig unsere Arbeit ist. Trotzdem können wir hier nicht einfach alles tun und lassen, wie es uns gefällt. Sie können uns keinen Freibrief für unsere Arbeit ausstellen. Wir mussten einen Prüfer einschalten. Das macht ihn nicht zu einem von uns und ich hatte es geschafft ihn herauszuhalten ... bis heute. Selbst jetzt habe ich nicht vor, viel Zeit für eine lange Erklärung zu verschwenden. Was wir machen, lässt sich unmöglich erklären – zumindest nicht, wenn wir wollen, dass man uns Glauben schenkt. Aber ob wir Miller nun wollen oder nicht, er ist da und vielleicht ist es der beste Weg, ihn zum Schweigen zu bringen, wenn wir ihn ein bisschen von dem sehen lassen, was passiert.«
»Na ja, er hat es ja gesehen«, murrte Jake, »aber still ist er nicht.«
»Er hat nicht alles gesehen.« Trasks Gesichtszüge verdüsterten sich. Und zu Liz sagte er: »Was meinst du?«
Sie wusste, worauf er hinauswollte und öffnete ihren Geist, starrte aufmerksam durch den Rauch des langsam erlöschenden Feuers auf die brennenden Hütten an die Stelle, wo sie an der windgeschützten Seite des Hügels in sich zusammenfielen. Während sie ihre Augenbrauen konzentriert zusammenkniff, sagte sie: »Der Schlimmste von ihnen – der ›alte Mann‹, Bruce Trennier – lebt noch. Er lebt, hat Angst und ist wütend. Er ist immer noch sehr gefährlich und sehr gewieft. Trotz der Tatsache, dass er versucht, seine Gedanken zu verstecken, oder vielleicht gerade deswegen, weiß ich, dass er dort ist. Sein – was, Gedankensmog? – ist so dick wie der Nebel über einem Sumpf und stinkt noch weit mehr! Er ist ihr Boss, aber er ist nicht alleine. Dort hinten, wo das Feuer nicht hinkam, tief unten in der alten Mine, ist eine Handvoll anderer. Sie warten auf uns.«
Trask nickte. »Nun, dann sollten wir sie nicht warten lassen!«, sagte er und verzog seine Lippen zu einem kalten, grausamen Lächeln. Seine Augen leuchteten in einem eigenen, rachsüchtigen Feuer. »Mr. Miller«, rief er den kleinen Beamten. »Würden Sie mich bitte begleiten? Ich hoffe, dass ich Ihnen einige Ihrer Fragen beantworten kann ...«
KAPITEL DREI
FEUERSTURM
Jake Cutter beobachte Ben Trask und fragte sich, was den Mann so besonders machte. Einiges davon wusste er – dass Trask der Chef einer Organisation des Britischen Geheimdienstes war, des E-Dezernats, das seinen Sitz in London hatte, aber auch mit vielen anderen Dezernaten und Organisationen zusammenarbeitete und mit mächtigen Freunden aus aller Welt gesegnet war. Trotzdem wusste er noch lange nicht alles. Eines stand jedoch außer Frage: Ben Trask sprühte geradezu vor Tatendrang. Darüber hinaus hielt es Jake für wahrscheinlich, dass, was auch immer ihn antrieb, dasselbe war, das ihn so viel älter aussehen ließ, als er eigentlich war.
Trask war trotzdem keineswegs jung; sein Alter mochte irgendwo zwischen 55 und 60 liegen. Sein braunes Haar war mit weißen Strähnen durchzogen, seine Haut blass. Generell machte er einen ältlichen und vielleicht sogar fragilen Eindruck, doch der Mann in ihm, sein Geist, seine Seele und seine Persönlichkeit – das Id selbst – war knallhart. Jake spürte das und fühlte mit Trask, hatte das Gefühl, ihn zu kennen, obwohl der Mann erst vor Kurzem in sein Leben getreten war. Aber wie er in sein Leben getreten war!
Für seine 1,80 Meter hatte Trask vielleicht etwas zu viel Gewicht. Seine breiten Schultern waren etwas eingefallen, seine Arme baumelten schlaff herab und sein Gesichtsausdruck war normalerweise etwas wehmütig. Oder vielleicht war das auch das Ergebnis von ... von was? Seinem Verlust? Denn das war der Eindruck, den man bekam, wenn man ihn unbemerkt beobachtete: das Gefühl, dass etwas ihn verlassen und niedergeschlagen und leer zurückgelassen hatte; seine grünen Augen sahen seltsam leer aus und er schien mit seinen Gedanken weit weg zu sein, sein Gesicht war abgespannt und seine Mundwinkel zeigten nach unten. Als ob er einen Verlust erlitten hätte, der zu schwer
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