Nachtgesang
zwölf Sonnunter.
In der Zwischenzeit hatten wir an die 800 Männer, Frauen und Kinder rekrutiert. Darüber hinaus hatten unsere Arbeiter unter dem Fundament einer umgestürzten Feste eine geheime Vorratskammer mit gut erhaltenen metamorphen Flüssigkeiten entdeckt, die man nur noch prägen musste – ihnen eine Essenz und einige Synapsen mit rudimentärer Intelligenz einflößen musste, damit sie wuchsen. Jetzt konnten wir die Bottiche mit vampirischem Leben füllen.
Zunächst schufen wir uns Flugkreaturen – mit Erfolg! Und dann versuchten wir es mit Kriegern, aber da fingen die Probleme an. Ein kriegerischer Stamm, schon in den alten Zeiten bekannt für seine aggressive Natur, war jetzt nicht weniger wild: die Szgany Lidesci, deren Territorium im Mittleren Westen der Sonnseite in den fruchtbaren Wäldern unter den von Höhlen durchzogenen Gebirgsausläufern lag.
Die Lidescis hatten offensichtlich einen Helden gefunden, einen jungen Mann namens Nathan Kiklu, der sich an verbotene Orte vorgewagt hatte und mit erstaunlichen Waffen zurückgekehrt war. Wir hörten die Geschichte von allen auf der Sonnseite rekrutierten Knechten immer wieder: dass der Bruder von Nathan ein Wamphyri war – Lord Nestor, der in einer Feste wohnte, die so pompös war, dass es die Dramalshöhe hätte sein können oder wie auch immer sie zu seiner Zeit genannt wurde – und wie er vorhatte, seinen Szgany-Bruder in das Tor zu den Höllenlanden zu schleudern.
Nun, das Tor war eine Legende; zu unserer Zeit hatte man es als Strafe benutzt und kein Mann und keine Kreatur, die dorthin in das weiße Flimmern des Sternseiten-Tores ›verbannt‹ wurden, war jemals zurückgekehrt, um von ihren Abenteuern zu erzählen. Aber das war damals und jetzt war jetzt und dieser Nathan war sicher immer noch da; allzu bald sollten wir seine Taten aus erster Hand erfahren.
Er war von den Szgany Lidesci. Die Lidescis waren nicht länger Traveller, sondern hatten eine weitläufige Kleinstadt oder Befestigungsanlage namens Siedeldorf gegründet. Das erste Mal, als wir sie ausplünderten – und es war auch das letzte Mal – ah, da erfuhren wir die wahre Bedeutung von ›erstaunlichen Waffen!‹
Unsere Krieger – die weit komplizierter gebaut waren als die Flugkreaturen – hatten noch nicht den letzten Schliff bekommen. Also griffen wir mit einer Armee aus Flugkreaturen und reitenden Knechten an und hatten eine Handvoll Leutnants, die die Männer in den Kampf führten. Nur, dass es nicht als Kampf geplant war, sondern als Überfall, bei dem die Szgany fliehen und wir die Überreste aufsammeln sollten. Vavara und Malinari schafften zwischen sich einen Nebel (Szwartz brauchte solche Vorkehrungen nicht und hielt sich heraus, wenn er konnte; da er ganz einfach mit der Nacht verschmelzen konnte, hielt er Nebel für eine unnütze, unnötige Täuschung.) Aber wie dem auch sei, der Nebel breitete sich von den Gebirgsausläufern her aus, um ganz Siedeldorf zu verschlucken. Wir sahen, wie die Feuer der Lidescis immer mehr vor der feuchten Umklammerung zurückwichen.
Dann machten sich unsere Flugkreaturen auf in Richtung des Dorfes ... und flogen direkt in den Schlund der Hölle!
Zum Glück waren die Anführer bei dem Angriff nicht an der Front; stattdessen hielten wir uns zurück, um die Reaktion der Lidescis zu beobachten, da mein Herr misstrauisch war. Denn als Malinari seine telepathischen Sonden tief in den Nebel über der Siedlung ausgestreckt hatte, spürte er etwas Seltsames – ein mentales Schweigen, ein Bewusstsein, eine Bedrohung. Und er hatte recht.
Die Nacht wurde zum Tag durch ohrenbetäubende Explosionen, grelle Lichtblitze und schrille Schreie – aber nicht denen der Szgany! Es waren die Schreie unserer Knechte und die Todesschreie unserer getroffenen Flugkreaturen. Von den hölzernen Wällen Siedeldorfs hörten wir entsetzlichen Krach, es knallte immer wieder, wie Steine, die in einem Feuer aufbrechen oder Setzlinge, die von einer Lawine zerrissen werden.
Große, grelle Feuerbälle schossen aus dem Nebel in einen Schwarm Flugkreaturen, der sich im Landeanflug befand, hinein. Wo auch immer die Feuerbälle einschlugen, folgte Zerstörung: Flugtiere gingen in Flammen auf und brennende Knechte sprangen aus ihren Sätteln!
Und es sausten noch mehr Feuerbälle durch die Luft: Dieses Mal waren sie auf uns gerichtet, die wir in völligem Unglauben von unserem ›sicheren‹ Felsen hinuntersahen.
›Genug!‹, fluchte Szwartz, spornte mit diesen Worten
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