Nachtgespenster
über die junge Frau nach. Sie war für mich ein Phänomen. So etwas wie sie hatte ich noch nie gesehen. Ich hatte nie etwas mit ihr zu tun gehabt. Halb Mensch und zur anderen Hälfte Vampir. Wie konnte so etwas möglich sein?
Ich kam auf keine Lösung. Bisher war es für mich ein Unding gewesen, andererseits hatte ich mit ihr gesprochen und ihre Qual erlebt, unter der sie litt und die mit ihrer Doppelexistenz zusammenhing. Ein derartiger Zustand war kaum auszuhalten. Da war es irgendwie verständlich, wenn sie mich darum bat, aus diesem Dilemma erlöst zu werden.
In meiner Nähe raschelte es. Nicht innen - außen. An der Hauswand. So drehte ich meinen Kopf, um die Ursache des Geräusches zu ergründen. Sie mußte sich im Efeu versteckt halten. Mir fiel auf, daß sich die Blätter leicht bewegten.
Es konnte durchaus am Wind liegen, der als eine sanfte Welle an der Hauswand entlangstrich und die Blätter in leichte Bewegung versetzte.
Ansonsten blieb die Umgebung ruhig. Bis zum Schloß hin konnte ich nicht schauen. Es lag auf der anderen Seite. Dann war die Entfernung auch zu groß. Selbst das Mondlicht reichte nicht aus, um es aus dem Schatten der Nacht hervorzureißen.
Ich hatte genug frische Luft geatmet, schloß das Fenster, stellte es allerdings auf Kippe, denn ganz einschließen wollte ich mich nicht.
Vor dem Bett blieb ich nachdenklich stehen und überlegte, ob ich mich ausziehen sollte oder nicht. Über diesen Gedanken wunderte ich mich selbst, das war nicht üblich, nur konnte ich einfach diese Nacht nicht vergessen. Ich hatte das Gefühl, daß noch etwas passieren würde.
Die Jacke legte ich ab, schlüpfte auch aus meinen Schuhen und legte die Beretta auf die Jacke, die ich auf der Sitzfläche des Stuhls ausgebreitet hatte.
Dann machte ich mich lang und fiel dabei aus der sitzenden Haltung nach hinten. Es war ein gutes Gefühl, sich ausstrecken zu können. Das Bett umschlang mich wie mit sanften Armen. Hier konnte man ruhen und sich einfach wohlfühlen.
Wie so oft lag ich wieder in einem fremden Zimmer. Und wie schon gehabt befand sich das Fenster an der rechten Seite des Betts. Auf dem Rücken liegend, mußte ich die Augen nur ein wenig verdrehen, um es sehen zu können.
Ich hatte es gekippt gelassen. Auch weiterhin sollte die kühle Luft ihren Weg in den Raum finden. Sie strich wie ein feiner Hauch über mein Gesicht hinweg.
Es war schon seltsam. Vor wenigen Minuten noch hatte ich mich kaputt gefühlt. Nun aber war ich hellwach, als hätten meine Sinne Alarm geschlagen.
Die mitternächtliche Stunde war noch nicht vorbei. Erst die Hälfte lag hinter ihr.
Im Haus war es still. Von Janine Helder hörte ich nichts. Es rauschte auch kein Wasser durch die Leitungen, und in meiner Nähe bewegte sich auch nichts.
Tief stieß ich die Luft aus. Es war alles normal, aber das Gefühl der Beklemmung wollte einfach nicht verschwinden. Ich glich einem Menschen, der auf der Lauer liegt und darauf wartet, daß etwas passiert.
Das Fenster war interessant. Immer wieder zog es mich an. Ich schaute hin. Ich suchte nach. Vor und hinter der Scheibe bewegte sich nichts. Nur der Mond wanderte weiter und verstreute sein Licht in einem anderen Winkel der Erde entgegen.
Es war die Welt der Wunder. Der Träumereien. Der Märchen und Legenden - sowie der Gespenster.
Nachtgespenster…
Der Ausdruck lief mir nach. Ich verwandelte ihn in Vampir-Geister, doch auch mit ihm kam ich nicht zurecht. Existierten sie überhaupt? Wenn ja, wo hielten sie sich denn auf? Gab es auch für Vampire so etwas wie eine Zwischenwelt, wie auch für andere Geister und Menschen, die gestorben waren und deren Seelen dann entschwanden?
Fragen, auf die ich in dieser Nacht bestimmt keine Antwort finden würde. Für mich war der nächste Tag wichtiger. Ihn wollte ich nutzen und natürlich dem Sitz der La Montes einen Besuch abstatten. Schon jetzt hoffte ich, Doreen dort oben zwischen den Mauern finden zu können, um mit ihr zu reden.
Beinahe noch wichtiger war ihr Vater und möglicherweise auch die Mutter. Wenn alles so stimmte, wie ich es gehört hatte, mußte sich zwischen den Mitgliedern der Familie eine Tragödie abgespielt haben. Davon ging ich schon jetzt aus.
Es raschelte wieder.
Ich achtete kaum darauf und nahm es wie nebenbei wahr. Ich zwang mich dazu, die Augen zu schließen, um endlich die gewünschte Nachtruhe zu finden.
Das Rascheln blieb.
Außen wieder, nicht innen.
Plötzlich war ich wieder da. Da hatte mich der
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