Nachtgespenster
Adrenalinstoß aus einer leichten Phase der Müdigkeit hervorgerissen.
Im Bett richtete ich mich auf und drehte den Kopf nach rechts, um das Zimmerfenster voll und ganz in mein Blickfeld zu bekommen.
Auf einmal waren sie da.
Blitzartig und ohne Vorwarnung hatten sie ihre Verstecke verlassen und führten außen vor dem Rechteck der Scheibe ihre bizarren Flattertänze auf.
Fledermäuse. Zahlreiche Tiere, die den Weg gefunden und sich wahrscheinlich innerhalb der dichten Bepflanzung an der Hausmauer versteckt gehalten hatten.
Warum waren sie gekommen und hatten den schützenden Wald verlassen? Was wollten sie von mir? Hatten sie sich aus eigenem Antrieb auf den Weg gemacht, oder waren sie geschickt worden?
Sollte die letzte Vermutung zutreffen, konnte als Initiatorin nur Doreen La Monte die Fäden ziehen. Sie wollte etwas von mir und hatte sich ausgerechnet mich ausgesucht, um von ihrem Schicksal erlöst zu werden. Eine Person töten, die auf der einen Seite ein Mensch und auf der anderen, der nachtdunklen, ein Vampir war.
Ich saß noch immer auf dem Bett und beobachtete die Tiere, die keine Ruhe ließen. Inzwischen hatte ich meine Füße in die Schuhe geschoben. Jetzt fühlte ich mich wohler.
Das Fenster und dessen Umgebung war keine Höhle, in der sich die Tiere wohlgefühlt hätten. Sie klammerten sich auch nirgendwo fest, sondern verdunkelten durch ihren heftigen Tanz die Scheibe, so daß auch das Mondlicht verschwand.
Ich erhob mich sehr langsam, da ich die Tiere nicht beeinflussen wollte. Immer öfter vernahm ich die klatschenden Laute, wenn die Tiere gegen die Scheibe prallten, weil sie wohl die Orientierung verloren hatten. Ihre Schwingen erinnerten mich an zittrige Lederlappen, zwischen denen sich die Köpfe abmalten, die fast nur aus Mäulern bestanden, da diese weit aufgerissen waren. Die Zähne funkelten, und ich konnte sogar die Spitzen erkennen.
Sie kamen von überall her. Von rechts und links, auch aus der Höhe. Wie kleine Jagdflugzeuge stießen sie dabei aus der Dunkelheit zu ihren Artgenossen vor, um sich mit ihnen zu vereinigen.
Ob ihr Besuch nur mir galt oder ob sie sich auch am Schlafzimmerfenster der Janine Helder aufhielten, ließ ich als Frage offen. Ich wollte auch nicht zu ihr hinuntergehen und sie wecken. Das hier war allein mein Problem.
Eine halbe Schrittlänge vor dem Fenster blieb ich stehen. Ab und zu schrak ich zusammen, wenn wieder Tiere gegen die Scheibe prallten. Manchmal sah es so aus, als wollten sie sich trotzdem dort festklammern, dann zogen sie sich wieder zurück und drängten sich hinein in den Pulk der anderen.
Für mich waren sie Vorboten eines Ereignisses, das noch stattfinden würde. Und das wiederum konnte nur mit Doreen zusammenhängen. Ich stand wie eine schattige Statue in der Dunkelheit des Zimmers, in dem sich die Umrisse der wenigen Möbel jetzt aufgelöst hatten und nur noch zu ahnen waren.
Manchmal zitterte die Scheibe, wenn zu viele Tiere dagegenprallten.
Es hörte sich an, als litte das Glas unter den Schlägen zahlreicher Gummihämmer.
Auf einmal entstand eine Lücke. Der dichte Pulk löste sich auf. Die Tiere hatten einen Befehl bekommen, sie zogen sich zurück, flogen aber nicht weg. Sie blieben in der Nähe des Hauses wie flatternde Lappen in der Luft.
Mir ermöglichten sie ein besseres Blickfeld. Ich sah wieder den Mond. Auch die glitzernden Sterne, und in beides hinein schob sich der Schatten.
Keine Fledermaus. Er war einfach da, und er war von unten nach oben gekommen. Sehr dicht vor der Scheibe sah ich ihn. Eine menschliche Gestalt mit dem Gesicht einer Frau.
Doreen La Monte war da!
Ich hatte sie erwartet. War trotzdem überrascht, sie so schnell zu Gesicht zu bekommen. Aus der Tiefe war es ihr gelungen, sich an der Hauswand in die Höhe zu schieben oder auch an ihr hochzuklettern. Es war nebensächlich. Wichtig war nur ihr Aussehen. Besonders interessierte mich das Gesicht.
Mein Magen krampfte sich leicht zusammen. Ich kannte sie, die Erinnerung an Doreen war noch frisch, aber die Nacht und der Vollmond hatten ihre schaurige Pflicht erfüllt.
Eine sehr helle Haut, leicht überschattet von bläulichen Flecken. Große Augen. Vom Wind zerzaustes Haar, das wie aufgelöste Garnknäuel um ihren Kopf hing. Ein breiter Mund, der jetzt offenstand. Aus seinem Oberkiefer wuchsen die beiden Hauer hervor. So wirkte Doreen La Monte auf mich, als wollte sie mich mit einem tödlichen Grinsen begrüßen, um mich dann abzuholen.
Sie hatte sich
Weitere Kostenlose Bücher