Nachtgieger
der Trubach in die Wiesent gelegene, geschichtsträchtige Marktgemeinde, um die sich das größte in Deutschland liegende Süßkirschenanbaugebiet erstreckte. Stolz über dem Markt erhob sich der weißgelbe Turm der schönen barocken Landkirche Sankt Kilian in den blassblauen Septemberhimmel. Dahinter thronte das imposante Pretzfelder Schloss über dem Wiesenttal, das eine zentrale Rolle im mittelalterlichen Bierkrieg gespielt hatte. Im Streit um die Braurechte hatten die Ebermannstädter den herrschaftlichen Sitz einst überfallen, die Brauerei zerstört und etwa zwanzig Eimer Bier ausgeschüttet.
Der Kommissar stellte den Wagen direkt vor dem Büro ab, einem schlichten, blauen Flachbau. „Hauptverwaltung“ stand in dicken Großbuchstaben auf der Glastür.
Auf dem großen Hof parkten einige Firmenlastwagen, die den Schriftzug „Beer Obsthof“ trugen. Zwei davon wurden gerade beladen.
Eine junge, rothaarige Frau, die stirnrunzelnd und heftig Kaugummi kauend auf eine Computertastatur einhämmerte, als wäre sie mit ihr verfeindet, sah zu ihnen auf.
„Guten Tag, wir möchten den Chef sprechen, Herrn Beer“, verkündete Mandy.
„Da durch die Tür“, erklärte die Verwaltungskraft und tippte weiter. „Sie haben Glück, der Chef ist vor ein paar Minuten eingetroffen.“
Sie klopften und betraten ein weiteres Büro, in dessen Mitte sich ein ausladender, edler Schreibtisch mit einer Platte aus Rauchglas befand. Dahinter saß aufrecht ein Mann, der Papiere studierte. Er erhob sich, umrundete den Tisch und kam auf die Kommissare zu, um ihnen die Hände zu schütteln.
„Die Kripo Bamberg, grüß Gott, Manuela Henneberger hat mich soeben angerufen. Ich habe Ihren Besuch erwartet.“ Er führte sie zu einer eleganten Sitzecke und bat sie, Platz zu nehmen. Durch die offene Tür rief er seiner Verwaltungskraft zu: „Kaffee und Wasser, Sandy, und die Personalakte von Kati Simmerlein.“
Der Unternehmer Oskar Beer wirkte wie ein Mann, der ständig wichtige Entscheidungen traf und es gewohnt war, dass seine Anweisungen befolgt wurden. Er war mittelgroß und von bulliger Statur, etwa Ende vierzig. Sein Gesicht war durch grobe, jedoch nicht unsympathische Gesichtszüge geprägt, die Stirn war breit und niedrig, die dunklen, grau durchzogenen Haare sehr kurz geschnitten. Er trug zu seinen Jeans ein weißes Hemd, dessen Ärmel lässig hochgekrempelt waren, so dass kräftige, schwarz behaarte Handgelenke zu sehen waren.
Ein sehr maskuliner Typ, dachte Mandy.
Sandy brachte das Gewünschte und schloss geräuschvoll die Tür hinter sich. Oskar Beer schüttelte kaum merklich den Kopf, dann wandte er sich den Kriminalbeamten zu.
„Ich vermute, Sie kommen wegen Kati Simmerlein, nicht etwa wegen Steuerhinterziehung“, begann er das Gespräch.
„Wir sind von der Kriminalpolizei“, unterbrach ihn Mandy, „Mandy Bergmann und Gerd Förster, und wir möchten Ihnen wegen des gewaltsamen Todes von Kati Simmerlein ein paar Fragen stellen.“
„Nur zu“, ermunterte Oskar Beer die Kommissare, „ich stehe zu Ihrer Verfügung, ich helfe gerne, wenn ich kann. Die Nachricht von dem schrecklichen Mord an Kati hat sich natürlich hier in der Gegend und im Obsthof wie ein Lauffeuer verbreitet. Ich bin sehr erschüttert.“
„Wir wissen noch nicht sicher, ob es sich um eine Mordtat handelt“, korrigierte Gerd Förster den Unternehmer, „wir stehen erst am Anfang unserer Ermittlungen. Erzählen Sie uns etwas über Frau Simmerlein, wie ist sie in Ihren Betrieb gekommen?“
Oskar Beer blätterte in der Personalakte, dann berichtete er: Vor fast genau zwei Jahren hatte sie plötzlich bei ihm im Büro gestanden und ihn gefragt, ob er einen Job für sie hätte. Sie verfügte über keinen Schulabschluss, hatte ihre Ausbildung als Friseurin kurz vor der Gesellenprüfung abgebrochen und verdiente sich ein wenig Taschengeld als Bedienung hinzu. Sie erklärte ihm, dass sie gerne in Zukunft ein festes Einkommen hätte, um sich das ein oder andere leisten zu können. Von Manuela wusste er, dass sie Ärger mit ihren Eltern hatte, die der Meinung waren, Kati hätte lange genug zu Hause herumgesessen. Auf jeden Fall machte sie einen guten Eindruck auf ihn und er beschloss, der jungen Frau eine Chance zu geben. Zu der Zeit suchte er einige Aushilfen für die Bedienung der Verpackungsmaschinen. Kati erwies sich dann auch als eine sehr zuverlässige und fleißige Arbeiterin, er hatte seine Entscheidung nie bereut.
„Hatten Sie auch privat
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