Nachtgieger
Einblick in ihr Dekolleté war atemberaubend, stieß jedoch bei dem verlassenen Rainer auf keinerlei Interesse: „Du brauchst eine Frau, Rainer, so schnell wie möglich, so geht das nicht mehr weiter.“
Der Angesprochene fuhr aus seinen finsteren Gedanken hoch. „Wie soll ich denn eine finden, Manuela?“ Er klang verzweifelt.
„Wenn du jeden Abend hier sitzt und ein Bier nach dem anderen in dich hineinkippst, dann bestimmt nicht. Du musst aktiv suchen. Du könntest zum Beispiel einen Volkshochschulkurs besuchen.“
Klausi mischte sich ein: „Bewirb dich doch bei ,Bauer sucht Frau‘.“
„Großartige Idee!“ Die Geschäftsfrau war begeistert.
„Ich bin doch gar kein Bauer“, widersprach der überrumpelte Rainer Rohlederer.
„Das spielt überhaupt keine Rolle, deine Eltern bewirtschaften doch einen großen Bauernhof. Den willst du übernehmen und dafür brauchst du eine tüchtige Ehefrau, ganz einfach.“ Manuela war nicht mehr zu bremsen.
„Oder du bestellst aus einem Katalog eine neunzehnjährige Weißrussin“. Klausi kam ebenfalls in Fahrt. Nachdem er den Blick seiner Lebensgefährtin richtig gedeutet hatte, versicherte er rasch: „Für mich persönlich käme ein solches Vorgehen natürlich nicht in Frage, ich schätze ein reife Frau, die mir auf hohem Niveau geistig ebenbürtig ist.“
Manuela entspannte sich.
„Seid ihr wahnsinnig geworden?“ Rainer war empört. „Wisst ihr nicht, was das für Konsequenzen nach sich zieht? Das habe ich erst letzte Woche in der Zeitung gelesen. So eine Dame zieht ein, dann stellt sich nach kurzer Zeit heraus, dass sie einen Ehemann und drei Kinder hat, die sie dann nachholt. Später folgen noch mehr verarmte Verwandte. Wenn man sich weigert, für den Unterhalt der ganzen Sippschaft aufzukommen, wird man massiv bedroht. Und wenn man nicht zahlt, wird einem ein Finger abgeschnitten.“ Er schauderte.
Zum Glück trafen nun Klarissa und Gregor König ein, so dass die beiden Kuppler abgelenkt wurden. Ihnen folgte schwerfällig die Pfarrerin Regina Engeltal mit ihrem Gatten Theo. Die hochschwangere Pfarrerin wollte vor der Geburt ihres vierten Kindes noch einmal richtig gut essen gehen, ehe sie sich mit der kargen Krankenhauskost begnügen musste. Ihre Freundin Paulina hatte sich bereit erklärt, die drei lebhaften Kinder des Pfarrehepaares zu hüten.
Klausi bestellte für seine Lebensgefährtin einen Schoppen trockenen Silvaner.
„Ich habe einen harten Tag hinter mir“, verkündete sie. „Die Polizei hat mich auch schon verhört. Ich konnte ihnen ein paar wertvolle Hinweise geben. Man tut schließlich, was man kann.“
„Ist das nicht ein fürchterliches Verbrechen?“ Klarissa König fröstelte. „Das arme Mädchen wurde getötet und auf ein Wasserrad gebunden, ich kann es immer noch nicht fassen. Ich habe Kati Simmerlein nur vom Sehen gekannt, aber trotzdem, sie war doch eine von uns hier.“
Regina Engeltal nickte: „Es ist so grausam, wenn ein junger, blühender Mensch aus dem Leben gerissen wird, und dann auf so eine Weise. Was ist das für ein Monster! Ich hoffe, der Mörder wird bald geschnappt.“
„Kati Simmerlein hatte sich in letzter Zeit verändert. Sie war verschlossener, aber auch zuversichtlicher und fröhlicher“, sinnierte Manuela.
Als die Bedienung ihre Bestellungen servierte, lief Regina Engeltal krebsrot an, krümmte sich stöhnend zusammen und umklammerte heftig atmend ihren Bauch.
Als Mandy Bergmann nach einem späten Feierabend endlich ihre Altbauwohnung betrat, kickte sie als erstes ihre unbequemen Schuhe von den Füßen auf den Dielenboden. In Strümpfen tappte sie in die Küche und ließ Leitungswasser in ein Glas laufen. Durstig trank sie es aus. Dann lief sie durch das Wohnzimmer und öffnete die Glastür, die zu der kleinen Dachterrasse führte.
Bei der Besichtigung der Wohnung hatte sie sich auf Anhieb in diesen Adlerhorst, wie sie ihren Freisitz nannte, verliebt. Diese sechs Quadratmeter im dritten Stock am Heinrichsdamm mit Blick auf die Regnitz, aufgrund einer alten Brandmauer auf der einen Seite und eines Kaminschlotes aus roten Backsteinen auf der anderen Seite uneinsehbar, waren ihr absoluter Lieblingsplatz.
Nach ihrem Einzug hatte ihr der handwerklich begabte Gerd Förster geholfen, grüne und gelbe Fliesen im Schachbrettmuster auf dem Estrich zu verlegen. Die stabilen Verstrebungen der geschwungenen Brüstung mit ihren goldenen Spitzen hatte sie schwarz lackiert.
Die Kommissarin genoss für einen
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