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Nachtgieger

Nachtgieger

Titel: Nachtgieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilse Maria Dries
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Moment den Ausblick und die Ruhe, atmete tief durch und begann dann ihren Rundgang durch das Apartment. Langsam, in Gedanken versunken, sammelte sie getragene Kleidungsstücke auf, die verstreut in der Wohnung lagen, und stopfte sie in die Waschmaschine. Danach spülte sie ihr Frühstücksgeschirr und goss die blühenden weißen und rosaroten Oleandersträuche, die sie in Terrakottakübeln auf der Dachterrasse aufgestellt hatte.
    Sie beschloss, die letzten Sonnenstrahlen zu genießen, ließ sich in einen Korbstuhl sinken und legte die Füße auf das Geländer. Ihre Gedanken wanderten unverzüglich zu ihrem aktuellen Fall. Da klingelte das Telefon. Das war bestimmt ihre Mutter. Sie hatten es sich zur Gewohnheit gemacht, wenigstes einmal in der Woche, meistens am Dienstag, miteinander zu sprechen.
    Normalerweise rief Mandy an. Ihre Mutter bezog eine kleine Rente, und so sparte sie die hohen Telefonkosten. Als die Kommissarin vor einiger Zeit feststellte, dass ihre Mutter das Zeitungsabonnement abbestellt hatte, obwohl sie so gerne den Lokalteil las, hatte sie die Kosten übernommen. Mehr Unterstützung ließ ihre Mutter nicht zu. Dafür war sie zu stolz. Sie lebte in Leipzig im Stadtteil Grünau in einer kleinen Wohnung in einer Plattenbausiedlung. Dort war Mandy mit ihren beiden Brüdern aufgewachsen. Ihr Vater war verschwunden, als sie noch klein war. Die Erfahrung, dass man sich auf Männer nicht verlassen konnte, prägte bis heute ihre Beziehungen.
    „Hallo Mami.“
    „Hallo, mein Goldfasan. Wie geht es dir? Du machst doch hoffentlich keine gefährlichen Sachen?“
    „Bestimmt nicht, Mami, ich arbeite bei der Polizei. Da geht es moderat zu.“
    „Passt dieser Kommissar, wie heißt er doch gleich, auf dich auf?“
    „Aber sicher, Mami“, grinste Mandy. „Wie ein Schießhund.“
    „Stell dir vor“, platzte ihre Mutter mit der Neuigkeit heraus. „Ich habe heute Mittag in der Mädler-Passage am Eingang zu Auerbachs Keller Maik getroffen. Er hat nach dir gefragt.“
    Unliebsame Erinnerungen stiegen in Mandy hoch. Maik, dieser eingebildete Affe. Früher war sie Mitglied eines Sportkaders gewesen. Als Einser- und Zweierkanutin konnte sie durchaus große Erfolge vorweisen. Maik war ihr Trainer und dann ihr fester Freund gewesen. Mandy, damals bis über beide Ohren verliebt und unbedarft, hatte lange gebraucht, bis sie entdeckte, dass ihr Lebensgefährte sie nach Strich und Faden betrog. Sie hatte ihn mit einer anderen Sportlerin im Bett überrascht. Die Narbe auf seiner Stirn stammte von einer Vase, die sie ihm damals voller Zorn an den Kopf geschleudert hatte.
    „Du hast ihm doch nichts über mich erzählt?“
    Ihre Mutter druckste herum.
    „Mami?“
    „Nein, wo denkst du hin, mein Kind.“
    „Aber?“
    „Ich habe ihm nur deine Telefonnummer gegeben. Er hat so traurig gewirkt. Außerdem ist er eine gute Partie und sieht blendend aus.“
    Nachdem Mandy und ihre Mutter das Telefonat mit vielen Bussis beendet hatten, stand sie an der Brüstung und beobachtete lächelnd, wie ausgelassene Jugendliche nacheinander auf einem kurzen Steg Anlauf nahmen und unter Aufbietung beachtlicher akrobatischer Kunststücke in der Regnitz verschwanden, um Sekunden später prustend und johlend wieder aufzutauchen. Dann erklommen sie geschickt eine quadratische, feuerwehrrote Luftmatratze, ließen sich im Schneidersitz nieder und zogen Bierdosen an einem Seil aus dem Wasser. Mandy beschloss, am nächsten Morgen ihre Schwimmsachen in den Rucksack zu packen und, wo auch immer, eine Runde im kühlen Nass zu drehen.
    Sie ließ sich erneut an ihrem Lieblingsplatz nieder, vergaß Maik und kreiste mit ihren Gedanken um die schöne tote Frau auf dem Wasserrad, während sich die Dämmerung sanft über Bamberg herabsenkte.

Mittwoch, 18. September
     
    Mandy Bergmann und Gerd Förster betraten früh am Morgen das Institut für Rechtsmedizin in Bamberg. Draußen kündigte die bereits wärmende Sonne einen schönen Tag an, in dem Gebäude war es jedoch still und kühl.
    Die Kommissarin trug einen eleganten, schwarzen Hosenanzug mit weißen Nadelstreifen, der ihre schlanke, durchtrainierte Figur trefflich zur Geltung brachte. Unter der kurzen Anzugjacke lugte der weiße Kragen einer Bluse hervor. Ihren vollen, breiten Mund hatte sie mit einem purpurfarbenen Lippenstift betont und ihren schwarz glänzenden Garçonschnitt mit etwas Gel in Form gezupft.
    Vor der Besprechung mit Carlo war sie durch die Mainauen nördlich von Bamberg gejoggt, und

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