Nachtgieger
dachte nach: „Ich war zu Hause und bin früh zu Bett gegangen. Dort habe ich noch wichtige geschäftliche Unterlagen durchgesehen. Am frühen Montagmorgen erwartete ich eine Wirtschaftsdelegation aus Rumänien, die meinen Betrieb besichtigen wollte. Wir planen eventuell eine Kooperation. Die Betriebskosten sind dort erheblich günstiger. Über dem Lesen bin ich eingeschlafen.“
„Gibt es einen Zeugen, der diese Angaben bestätigen kann?“, wollte die Kommissarin wissen.
Herr Beer verneinte: „Ich weiß gar nicht, ob meine Ehefrau an jenem Abend zu Hause war. Ich habe sie jedenfalls nicht zu Gesicht bekommen. Am Sonntag trifft sie sich, soweit ich informiert bin, mit einigen Freundinnen in einer privaten Sauna in Ebermannstadt.“
„Danke, Herr Beer“, beendete der Kommissar das Verhör. „Ihre Aussage wird noch zu Protokoll genommen, dann können Sie gehen.“
Mandy Bergmann fügte hinzu: „Ihr Grundstück an diesem Karpfenweiher und Ihren Wohnwagen werden wir von der Spurensicherung unter die Lupe nehmen lassen.“
„Bitte schön, nur zu“, entgegnete Oskar Beer achselzuckend. „Ich habe nichts zu verbergen. Ich wäre Ihnen jedoch sehr dankbar, wenn meine Gattin davon nichts erfahren würde.“
Die beiden Kommissare machten sich auf den Weg zum Besprechungsraum. Vor dem Whiteboard verharrten sie und ließen die bedrückenden Fotografien auf sich wirken. Was hatte Apollonia Vierheilig mit den Wasserradmorden zu tun? Gerd Förster vertrat im Moment innerlich die Ansicht, dass gar keine Verbindung bestand. Das äußerte er jedoch nicht. Er wollte sich nicht mit Spekulationen abgeben, die jeder Grundlage entbehrten.
Mandy Bergmanns Gedanken schweiften zu Oskar Beer. Sie war unschlüssig, wie sie ihn einschätzen sollte. Die Bezeichnung „Dorfcasanova“ traf nicht wirklich zu, dafür hatte er zu viel Stil.
Soeben studierte sie grübelnd das Fußkettchen mit den winzigen Kugeln, als ein Kollege aus der Abteilung für Internetkriminalität den Raum betrat und ihnen aufgeregt zuwinkte. In der Hand hielt er einen Notizzettel.
Er berichtete: „Wir haben die Adresse, von der die Mails an Kati Simmerlein stammen. Es handelt sich um ein Internetcafé in Nürnberg. Der User hat den Namen und die Adresse des alten, demenzkranken Mannes in diesem Pflegeheim in Bayreuth benutzt. Wenn die Postleitzahl zugeordnet werden kann, ist es kein Problem, sich mit einem Nickname in einem Chatroom anzumelden. Ich habe euch die Anschrift notiert: Allersbergerstraße 101, irgendwo in der Südstadt. Viel Erfolg, Kollegen, schnappt euch die Bestie!“ Er hastete weiter.
Die Kommissare holten sofort ihren Dienstwagen aus der Tiefgarage und machten sich auf den Weg nach Nürnberg. Gerd Förster wählte die Strecke über den Frankenschnellweg, vorbei an Forchheim und Erlangen, wo links direkt an der Autobahn papageienbunt gestrichene Hochhäuser in den dunstig blauen Herbsthimmel ragten. Hinter Eltersdorf breitete sich fruchtbares Ackerland mit darauf verstreut liegenden Gehöften aus, so weit das Auge reichte. Landwirte bauten hier Salat und anderes Gemüse an. Weiter ging es durch Fürth an einem schwedischen Möbelhaus vorbei bis zu den Rampen in Nürnberg, wo um diese Zeit kein Stau herrschte. Dann bog er in die Südstadt ab.
Während der Fahrt tauschten sich die Kommissare über die Vernehmung von Oskar Beer aus.
„Eine hübsche kleine Geschichte hat er uns da präsentiert, so authentisch, dass man ihr beinahe Glauben schenken könnte“, meinte Mandy ironisch.
„Aber wenn er tatsächlich Kati Simmerlein loswerden wollte, warum auf eine so spektakuläre Art und Weise, die so viel Aufmerksamkeit und Medienrummel nach sich zieht?“, fragte ihr Kollege. „Er hätte zum Beispiel versuchen können, an seinem Weiher einen Badeunfall vorzutäuschen, oder die Leiche einfach verschwinden lassen.“
„Ein Badeunfall hätte seine Frau alarmiert. Und es ist schließlich gar nicht so einfach, einen toten Menschen verschwinden zu lassen“, entgegnete Mandy so überzeugt, als hätte sie es bereits versucht. Dann spekulierte sie weiter: „Es wäre doch eine clevere Idee von ihm gewesen, bei dem Mord an Kati Simmerlein die beiden anderen Verbrechen auf den Wasserrädern nachzuahmen, um den Verdacht von ihm abzulenken. Wir konzentrieren uns auf einen Serienmörder, den wir jagen, und der Unternehmer schlüpft uns durchs Netz. Kati Simmerlein könnte ihn sehr wohl erpresst haben, und aus Angst vor den Konsequenzen hat er
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