Nachtgieger
Kaffeemaschine und beschloss, dass sie einen Espresso überleben würden.
Er sprach den jungen Mann an, als er die gewünschten Getränke servierte: „Ist hier immer so wenig los?“
„Mal so, mal so“, erwiderte dieser kurz angebunden.
Der Kommissar änderte die Taktik: „Kann ich bitte den Geschäftsführer sprechen?“
„Der steht vor Ihnen. Was wollen Sie?“
Gerd Förster zeigte seine Dienstmarke und hatte den sicheren Eindruck, dass der junge Mann einen heftigen Fluchtimpuls unterdrücken musste.
„Kripo Bamberg, wir ermitteln in einem Mordfall. Es deutet einiges darauf hin, dass der gesuchte Täter Mails von einem dieser Computer hier verschickt hat.“
Der Geschäftsführer reagierte sofort: „Für hier abgesendete Mails trage ich keine Verantwortung, das wissen Sie. Die Kunden benutzen die Computer, bezahlen nach festgelegten Zeiteinheiten und verschwinden wieder. Das ist alles.“
„Ja, das wissen wir“, versuchte Mandy den nervösen Burschen zu beruhigen. „Wir wollen von Ihnen wissen, ob Ihnen vielleicht ein Kunde aufgefallen ist, der häufiger ihr Café besucht und einen verdächtigen Eindruck auf Sie gemacht hat. Jemand, der sich irgendwie auffällig benommen hat?“
Der Mann entspannte sich sichtlich und überlegte: „Ein paar Mal war einer hier, der war mir nicht geheuer. Er hat immer nur das Nötigste geredet, das Internet benutzt, etwa für eine halbe Stunde, hat bezahlt und ist verschwunden. Ein großer, dicklicher Mann mit stechenden, gefährlichen Augen. Er trug immer einen langen, dunklen Mantel.“
„Können Sie sich erinnern, wann er das letzte Mal hier war?“
„Letzte Woche, am Dienstag oder am Mittwoch. Ein unheimlicher Kerl.“
„Ich habe eine dringende Bitte.“ Mandy nahm einen Schluck von dem starken, süßen Espresso, der gar nicht so schlecht schmeckte. „Wenn dieser Mann wieder in Ihrem Laden auftaucht, rufen Sie uns sofort an, hier ist meine Visitenkarte. Es ist wirklich wichtig, es könnte sich um eine äußerst gefährliche Person handeln. Benehmen Sie sich völlig normal und telefonieren Sie unauffällig.“
Der Geschäftsführer erschrak. Dann versprach er: „Ich melde mich sofort bei Ihnen, Frau Kommissarin, versprochen. Wenn ich helfen kann, einen Verbrecher zu verhaften, bin ich dabei.“
Als die Kommissare sich verabschiedet und das Internetcafé verlassen hatten, griff der tätowierte Mann hektisch zum Telefonhörer, wählte und begann, schnell und eindringlich auf jemanden einzureden.
Nach dem Gespräch mit Paulina Regenfuß machte sich Sieglinde Silberhorn auf den Heimweg. Sie hatte noch Zeit, bis heute Abend die aufregende Aktion „Liebesapfel“ stattfinden sollte.
Als sie ihren Vater, wie häufig in letzter Zeit, vor dem Fernseher antraf, beschloss sie, ihm eine Freude zu machen und paar Runden Mühle mit ihm zu spielen. Er mochte dieses Spiel. Ein schlechtes Gewissen beschlich sie, weil sie den alten, behinderten Mann so oft allein ließ. Aber hatte sie eine Wahl? Sie musste Geld verdienen und sie liebte ihre Arbeit. Ihr kam der Gedanke, ihn in einer Tagesstätte für Senioren anzumelden. In solch einer Facheinrichtung herrschte sicherlich keine Langeweile.
Nun musste sie sich dringend ein wenig ausruhen, damit sie heute Abend topfit war. Schließlich stand einiges auf dem Spiel und es ging um ihre Zukunft.
Heute Nachmittag hatte die Polizistin Glück gehabt. Gerade, als sie an der Haustür klingeln wollte, war Paulina Regenfuß von ihrem Krankenhausbesuch nach Hause gekommen. Die junge Frau war in dem Gespräch ganz ruhig geblieben und hatte die Vermutung des Kommissars nicht ernst genommen. Sie konnte es sich überhaupt nicht vorstellen, dass jemand sie beobachten könnte. Und sie lehnte es energisch ab, dass ihr Freund Manni, und sei es nur vorübergehend, bei ihr einziehen sollte. Sie hätten eine ernste Beziehungskrise, weil er nur Fußball im Kopf hatte und sie vernachlässigte. Sie jedoch hätte andere Pläne. Ihr weiteres junges Leben würde sie gewiss nicht am Rand eines Fußballfeldes verbringen.
Sieglinde hatte ihren Auftrag verantwortungsbewusst erfüllt. Aber sie hatte schließlich auch noch ein Privatleben, das dringend einer Bereicherung bedurfte.
Ihre Freundin Marlene traf pünktlich um achtzehn Uhr und voller Elan in Sieglindes Wohnung ein. Die Freundinnen hatten für ihr Vorhaben einen präzisen Zeitplan festgelegt. Zuerst galt es, den Liebesapfel nach der klaren Vorgabe von Marlenes Oma Berta zu präparieren.
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