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Nachtgieger

Nachtgieger

Titel: Nachtgieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilse Maria Dries
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der schönen Aussicht das anrührende Zitat von dem Dresdner Maler und Zeichner Ludwig Richter aus dem Jahre 1837, das in dem Buch „Der wandernde Maler“ von Georg Kanzler erwähnt wurde. Dieses Zitat hatte Mandy in einem Wanderführer entdeckt und las es
    Karl-Heinz begeistert vor, während dieser die Köstlichkeiten für ihren Imbiss auspackte:
    „,Ich erblickte eine Kapelle, ging nahe darauf zu, und sah das romantischste Bild, was man sich denken kann. Ein altes gothisches Kirchlein, an einem steilen bebuschten Felsen klebend;
    In der schwindelnden Tiefe ein stilles Wasser, sonderbar gestaltete Felswände, an welchen eine große, mächtige Höhle das Tageslicht angähnte.
    Auf einem der Felsenwände lag das Schloß Rabenstein, halb Ruine, zum Theil noch bewohnt. –
    Ich zeichne die Kapelle.“
    „Ist das nicht wunderschön, Karl-Heinz?“
    Der Gerichtsmediziner nickte, während er sorgfältig ein rot-weiß kariertes Tischtuch auf dem klobigen Holztisch ausbreitete und weiße Servietten und Besteck darauflegte. Zwei Kristallgläser stellte er daneben. „Ich habe mich diesmal für eine fränkisch-rustikale Brotzeit entschieden“, erklärte er seiner Kollegin soeben, als erneut ihr Telefon läutete.
    Sieglinde Silberhorn, die heute Dienst hatte, berichtete eifrig: „Die Einzelnachweise auf Kati Simmerleins Handy haben uns leider nicht weitergebracht, Mandy. Sie führten zu einem Mobiltelefon, das ein Mann aus Bayreuth vor circa drei Wochen als gestohlen gemeldet hat. Das Gerät ist nicht lokalisierbar, wahrscheinlich liegt es irgendwo in einem Fluss oder so. Fehlanzeige. Der Täter entwendet anscheinend Handys, benutzt sie für seine Zwecke und entsorgt sie dann. Er hat sich in Bezug auf die Rückverfolgbarkeit von Telefonaten und die Ortung der Geräte sehr gut informiert.
    Dann hat noch die Mutter eines kleinen Jungen angerufen. Sie wohnen zwei Häuser entfernt von Apollonia Vierheiligs Haus. Ihr Grundstück grenzt ebenfalls an die große Wiese. Ihr Sohn hat auf diesem Dorfanger einen Knopf gefunden, rund und silberfarben, mit einem eingravierten Hirschkopf. Der Kleine kann sich aber nicht mehr erinnern, an welchem Tag er die Entdeckung gemacht hat. Er ist erst vier Jahre alt.“
    Die Kommissarin überlegte: „Mach doch bitte für morgen früh einen Termin mit der Mutter aus. Wir sprechen mit dem kleinen Jungen. Und informiere Gerd. Ich danke dir, Sieglinde, schönen Sonntag noch.“
    Während der deftigen Brotzeit informierte sie Karl-Heinz über die Mitteilungen von Sieglinde. Er servierte köstliches Bauchfleisch mit knuspriger Schwarte, rösche Hühnerbeine, Obatzten, Bauernbrot, Radieschen und Strauchtomaten. Dazu tranken sie kühles Radler. Es schmeckte vorzüglich. Beide langten ordentlich zu.
    Um Mandys Stimmung zu heben und sie von den aktuellen, nicht gerade euphorisch stimmenden Neuigkeiten abzulenken, erzählte Karl-Heinz seiner Kollegin die Sage, die sich um die Klaussteiner Kapelle rankte: Anno dazumal lebte auf Burg Rabenstein eine Magd, die sich bis über beide Ohren in einen feschen jungen Mann aus Oberailsfeld verliebt hatte. Immer, wenn sie einen Botengang im Dorf zu erledigen hatte, suchte sie seine Nähe und bot alle weiblichen Listen auf, um ihn zu umgarnen. Doch der Bursche zeigte kein Interesse an ihr, und wenn sie ihm heimlich zuzwinkerte und das Gespräch mit ihm suchte, wich er aus. Dann begann er, ihr aus dem Weg zu gehen. Sie erklärte sich dieses schroffe, abweisende Verhalten mit seiner Schüchternheit und gab nicht auf.
    Eines Tages, am Sonntag beim Kirchgang, hörte sie ihn zu einem Freund sagen, dass er lieber Mönch werden würde, als diese Magd zur Frau zu nehmen. Verzweifelt rannte das Mädchen in den tiefen Wald und weinte bitterlich. Dann versiegte die Liebe und schlug in abgrundtiefen Hass um. Noch in dieser Nacht verschwor sie sich dem Teufel und vereinbarte mit ihm, in der Walpurgisnacht am grausigen Hexentanz teilzunehmen, wenn er den Burschen dorthin bringen würde. Das schien ihr die letzte Chance zu sein.
    In der Walpurgisnacht ergriff sich der Teufel den jungen Mann und jagte mit ihm durch die Lüfte. Der war ein kräftiger Kerl und wehrte sich verzweifelt. Als er unter sich die Klaussteiner Kapelle erblickte, klammerte er sich mit aller Kraft an das Kreuz auf dem Dach. Der Teufel zog und zerrte an ihm, so dass durch den Radau der Klausner erwachte, der sich noch im Traum wähnte, als er den zappelnden jungen Mann am Kreuz erblickte. Beherzt rief er den

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