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Nachtgieger

Nachtgieger

Titel: Nachtgieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilse Maria Dries
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fortführen könnten.
    „Und wenn wir Sagen- oder Märchenwanderungen anbieten, für Kinder und Erwachsene? Das wäre doch eine schöne Idee“, überlegte Margit, während ihr Blick über die hügelige, friedliche Landschaft glitt. Dann nahm sie einen Jägerstand wahr, der in dichtem Gebüsch und Gestrüpp vor dem dunklen Wald kaum zu erkennen war. Der Hochsitz reichte bis in die Zweige einer großen, alten Kiefer.
    „Sitzt da oben jemand? Am Sonntagnachmittag jagt man doch nicht, oder, Walter?“, erkundigte sie sich erstaunt bei dem erfahrenen Jäger.
    „Nein, normalerweise nicht“, entgegnete er. „Aber vielleicht genießt jemand die herrliche Aussicht.“
    Sein Blick wanderte nun ebenfalls zu dem Hochsitz. Er stutzte und griff in seiner Hosentasche nach dem kleinen Fernglas, das er immer bei sich trug. Er stellte es scharf und konnte binnen Sekunden die Gestalt auf dem Brettersitz recht gut erkennen. Irritiert studierte er genau das Bild, das sich ihm dort bot.
    „Da sitzt niemand, Margit, da hängt jemand über der vorderen Holzstrebe“, rief er erschrocken und rannte los.
    Als er unterhalb des Jägerstandes keuchend zum Stehen kam, konnte er eine über der Brüstung nach vorn gebeugte Person erkennen, deren Kopf und Arme reglos nach unten hingen. Der Körper wurde von der massiven vorderen Verstrebung daran gehindert, vom Sitz in die Tiefe zu kippen. Margit zeigte auf eine Stelle, die sich schräg rechts hinter der Leiter befand. Dort konnte man dunkle Flecken auf einem flachen, weißgrau gemusterten Feldstein erkennen. Daneben lag ein Jagdgewehr auf der bemoosten Walderde.
    „Das sieht aus wie geronnenes Blut! Ist hier etwa ein Unfall geschehen?“, murmelte Walter beunruhigt. „Hallo, Sie da oben!“, sprach er die Gestalt laut und deutlich an. „Ich klettere zu Ihnen hoch und helfe Ihnen, ganz ruhig, ich komme.“
    Geschickt und rasch erklomm er die Leiter. Oben konnte er mit einem Blick feststellen, warum der Mann nicht reagierte. Ein Einschussloch klaffte in seiner rechten Schläfe. Eine Blutspur zog sich über seine farblose Wange. Er war tot.
     
    Als Polizei- und Krankenwagen eintrafen, standen Margit und Walter Burkhard bedrückt Hand in Hand neben dem schiefen Hochsitz. Der Rauhaardackel Ferdinand lag auf dem Boden, den Kopf auf die grauen Vorderpfoten gebettet, und heulte in regelmäßigen Abständen klagend auf. Etwas Schreckliches war geschehen, das spürte der Hund ganz genau.
     
    Gerd Förster traf als erster an der Unfallstelle ein. Sieglindes Anruf hatte ihn erreicht, als er gerade mit Begeisterung in seinem Geburtsort Schlaifhausen am südlichen Fuße des Walberlas ein nervenaufreibendes Fußballspiel der heimischen ersten Mannschaft verfolgte, ein Bratwurstbrötchen vom Grillstand am Rand des Spielfeldes in der einen und ein Glas Weizen in der anderen Hand. Gerade als für das gegnerische Team aus Weilersbach seiner Ansicht nach zu Unrecht ein Elfmeter gepfiffen wurde, die Gemüter sich erhitzten und die Zuschauermenge tobte, hatte sein Handy geklingelt.
     
    Die beiden Spaziergänger berichteten dem Kommissar nun bereits aufgeregt von ihrer grauenhaften Entdeckung.
    Die Polizistin Sieglinde Silberhorn kam zusammen mit den Polizeibeamten und dem Team der Spurensicherung aus Bamberg. Als letztes erreichten Mandy Bergmann und Karl-Heinz von Hohenfels den Ort des Geschehens. Gerd Förster hätte sich über die Wanderkluft seiner beiden Kollegen amüsiert, wenn die Situation nicht so ernst gewesen wäre: Die beiden verstanden es wahrhaftig vortrefflich, eine Unternehmung zu zelebrieren. Besonders die Hosenträger von Carlo hatten es ihm angetan.
    Die uniformierten Polizisten sperrten die Unglücksstelle mit weißroten Bändern ab, die Kollegen von der Spurensicherung in ihren weißen Overalls begannen mit ihrer Arbeit. Die beiden Kommissare und der Gerichtsmediziner standen unterhalb des Jägerstandes zusammen und blickten zu dem toten Mann hinauf.
    „Wir steigen zu ihm nach oben, Karl-Heinz“, wandte sich Gerd Förster an den Pathologen. „Mandy, schaust du dich hier unten um? Vielleicht ist außer der Waffe noch mehr zu finden.“
    Sie nickte und streifte sich dünne Latexhandschuhe über die schlanken Finger.
    Gerd Förster ließ Karl-Heinz den Vortritt, damit er eine erste Untersuchung der Leiche vornehmen konnte. Er selbst balancierte auf der dritten Sprosse von oben. Drei Personen fanden auf dem schmalen, zusammengenagelten Brettersitz keinen Platz.
    Behutsam machte sich der

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