Nachtgieger
kleinen Kammern mit den Schrägen war früher das Gesinde untergebracht gewesen, die Herrschaft bewohnte die komfortableren hohen und hellen Räume.
Unter einer uralten, verzweigten Linde standen dunkelgrün lackierte Tische und Bänke verwaist im einsetzenden Nieselregen. Einige Autos parkten aufgereiht vor der Vorderfront des Hauses mit seiner massiven Eingangstür aus dunkel gebeiztem Holz.
Die Kommissare betraten die Gaststätte und mussten sich erst an das dämmrige Licht gewöhnen, bevor sie links vor einem Kachelofen einen stabilen runden Tisch wahrnehmen konnten, um den sich einige Männer versammelt hatten. Zwei davon saßen auf dicken Kissen auf der begehrten Bank vor der wärmenden Ofenwand. Bierkrüge standen vor ihnen auf dem Tisch, bei dem es sich wohl um den Stammtisch handelte, und sie unterhielten sich mit gedämpften Stimmen. Die restlichen Sitzgelegenheiten in dem niedrigen Raum waren unbesetzt. Aquarelle in zarten, durchsichtigen Farben mit Landschaften aus der umliegenden Gegend verschönerten die rau verputzten weißen Wände. Es war ein gemütlicher, rustikaler Raum.
Auf der anderen Seite des schmalen Flures erhob sich eine lang gestreckte Theke aus nachgedunkeltem Eichenholz, deren vordere Ansicht mit kunstvoll bemalten Schießscheiben vom Königsschießen dekoriert war. Dahinter stand eine gelangweilte junge Frau, die versuchte, lasziv an einer Cola zu nippen.
Die Männer unterbrachen ihr leises Gespräch, und neugierige Blicke huschten zu den unbekannten Gästen.
Gerd Förster ließ sie nicht lange rätseln, zückte seinen Dienstausweis und stellte sie vor: „Kripo Bamberg, wir möchten mit Gerdi Drummer sprechen.“
Die Wangen eines jungen, dicklichen Mannes in der Stammtischrunde, dessen hellblond gefärbte Haare in kurzen Stoppeln vom Kopf abstanden, liefen in Windeseile purpurrot an. Sein Mund stand erschrocken offen und ließ einen übergroßen Schneidezahn, der sich über den anderen schob, erkennen.
Mandy hatte eine plötzliche Eingebung und zögerte keine Sekunde: „Sie haben vor etwa einer Stunde bei der Polizei in Forchheim angerufen, ohne Ihren Namen zu nennen, und von einem Streit am späten Freitagabend hier in der Wirtschaft berichtet. Würden Sie mir jetzt freundlicherweise Ihren Namen mitteilen?“
Der junge Kerl starrte sie entgeistert an. „Woher wissen Sie das?“, fragte er mit hoher, lispelnder Stimme.
„Wir sind von der Polizei und wissen fast alles. Also stellen Sie sich jetzt vor?“
„Bernd, ich heiße Bernd“, stammelte er überrumpelt.
„Und weiter?“
„Bernd Rehlein. Wissen Sie, ich dachte, der Tipp wäre vielleicht wichtig, wo Sie doch den Mörder von Clemens suchen. Ich wollte nur nichts mit der Polizei zu tun haben, am Ende ist man dann selbst der Verdächtige. Und ich will Waldi auch nicht in Schwierigkeiten bringen. Es war doch nur eine kleine Auseinandersetzung, wie sie an jedem Stammtisch ab und zu vorkommt. Schwamm drüber.“
Unbehaglich wand er sich unter den bohrenden Blicken der anderen Männer.
Sein direkter Sitznachbar, ein kräftiger Mann um die vierzig mit wettergegerbtem Gesicht, fuhr ihn zornig an: „Du kannst einfach dein dummes Maul nicht halten, Bernd. Waldi wird stinksauer sein, wenn er jetzt Schwierigkeiten mit der Kripo bekommt, dann kannst du deinen Hilfsjägerposten vergessen.“
Die Kommissarin zog sich einen Stuhl heran und setzte sich zwischen die Stammtischbrüder. „Also, Männer, was ist am Freitagabend genau passiert? Wenn ihr nicht mit mir redet, lade ich euch für morgen früh nach Bamberg in das Polizeipräsidium zur Befragung vor. Dann quetsche ich einen nach dem anderen von euch aus. Wenn ihr mich anlügt, bekommt ihr gewaltige Probleme, das verspreche ich euch.“
Es herrschte betretenes Schweigen. Dann traf der kräftige Mann, der anscheinend der Wortführer war, eine Entscheidung. „Erzähle der Frau Kommissarin, was passiert ist, Bernd.“
Der Hilfsjäger Bernd Rehlein tat widerwillig, wie ihm geheißen, und berichtete von der wilden Streiterei im Wirtsraum, die er bereits bei seinem anonymen Anruf geschildert hatte. Die anderen Anwesenden bestätigten daraufhin seine Aussage.
Clemens Lämmerhirt hatte nur ein bisschen gestichelt, und der sonst so zurückhaltende Förster Ewald Hufnagel hatte völlig überreagiert und sich äußerst aggressiv verhalten. Sie mussten dazwischengehen, sonst hätte Waldi den Clemens verprügelt. Der hätte gegenüber dem großen, starken, massigen und extrem
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