Nachtgieger
zornigen Revierförster keine Chance gehabt.
Der Grund für den Ausbruch war die Behauptung des Jungjägers gewesen, Ewald Hufnagel war nicht Mannes genug, um eine Frau zu finden. Dabei hatte er doch auch keine.
Waldi hatte nach dem bösen Streit versöhnlich eine runde Birn spendiert und kurz danach die Dorfwirtschaft mit den Worten „Nichts für ungut, Männer“ verlassen.
Mandy nickte ihnen zufrieden zu und ließ sich noch die Anschrift des Försters geben. Er wohnte nur zweihundert Meter weiter am Waldrand oben im alten Försterhaus, dort befanden sich auch sein Büro und die Werkstatt seiner Waldarbeiter.
Die Stammtischbrüder widmeten sich wieder ihrem Bier und blickten sich finster an.
Die junge Frau am Tresen hatte das Gespräch sensationslüstern verfolgt und schenkte jetzt aufreizend langsam die georderte Runde Birn ein.
Der Kommissar trat auf sie zu und stellte fest: „Sie sind Gerdi Drummer, nicht wahr?“
Verschlagen sah sie ihn an und nickte dann.
„Können wir hier irgendwo ungestört mit Ihnen sprechen?“
Sie servierte den Schnaps und führte sie dann in eine altmodische, unordentliche Küche. An einem mit Flecken übersäten rechteckigen Resopaltisch nahmen sie Platz.
Eine dralle, ältere Frau, die an einem Herd stand und in einem riesigen Topf rührte, schimpfte: „Anstatt ständig in den Hinterhof zum Rauchen zu verschwinden, Gerdi, hättest du die Küche putzen sollen, in der Wirtschaft ist nicht viel los. Was soll denn die Polizei von uns denken. Wir sind schließlich ein ordentliches, sauberes Wirtshaus mit hervorragender fränkischer Küche und haben einen Ruf zu verlieren.“
Verärgert rauschte sie aus dem Raum.
Gerdi Drummer schnitt eine hässliche Grimasse hinter ihr her, dann erklärte sie genervt: „Das war meine Tante Zilli. Die alte Schrabnelln meint, sie kann mich hier herumkommandieren. Dabei werde ich dieses zurückgebliebene, hinterwäldlerische Kuhkaff in Kürze verlassen. Ich habe mich nämlich für das Casting bei „Deutschland sucht den Superstar“ angemeldet. Meine Chancen sind einfach super, ich sehe geil aus und kann richtig cool singen, so soulmäßig, wissen Sie.“
Sie lächelte jetzt ganz versonnen und wirkte dadurch etwas hübscher.
Gerd Förster war verblüfft über die Diskrepanz zwischen der Selbsteinschätzung der phlegmatischen Bedienung und seinem eigenen Eindruck. Gerdi war eine magere, kleine junge Frau ohne jegliche Ausstrahlung.
Widerstrebend begann sie, die Tischoberfläche mit einem feuchten Lappen zu bearbeiten. Dann warf sie ihn achtlos in Richtung Spüle. Knapp verfehlte er sein Ziel und klatschte auf den Fliesenboden. Gerdi zuckte desinteressiert mit ihren Kinderschultern.
Ihr schmales Gesicht mit der niedrigen Stirn war blass, der Mund schmallippig und ihre ausdruckslosen Augen schielten leicht. Ihr dunkelroter Pagenkopf war perfekt geschnitten.
Gerd Förster hatte schon früher die Beobachtung gemacht, dass Möchtegern-Dorfschönheiten in der hiesigen Gegend häufig akkurat geschnittene, moderne Frisuren trugen, allerdings ohne jegliches Gespür dafür, ob sie ihnen auch standen. Er hielt Gerdi für unterdurchschnittlich intelligent. Aber wenn sie „cool“ singen konnte, stand ihr womöglich eine Superkarriere bevor.
„Waren Sie mit Clemens Lämmerhirt befreundet?“, wollte er nun wissen.
„Mit diesem rothaarigen Hilfsarbeiter? Ich bitte Sie. Schließlich habe ich andere Pläne. Er hat mir den Hof gemacht und wollte unbedingt, dass ich seine Freundin werde. Klar, bei meinem Aussehen und meinem Talent. Daran hatte ich aber kein Interesse. Manchmal, vor allem wenn er etwas zu viel getrunken hatte, konnte er richtig aufdringlich sein. Am Abend vor seinem Tod hat er mich vom Hochsitz aus angerufen und mich mit seinen Jagdabenteuern zugelabert. Wie mich das anödete.“
„Haben Sie eine Vermutung, wer ihn ermordet haben könnte?“
„Keine Ahnung, der war doch ein völlig unscheinbarer Wicht. Wer sollte den schon ermorden? Mit seinem neuen Auto hat er geprahlt. Ein Toyota, wie uncool. Ich werde sicher bald in einer Stretchlimo chauffiert.“
„Waren Sie am Freitagabend anwesend, als es zum Streit zwischen Clemens Lämmerhirt und Ewald Hufnagel kam?“
„Ja, ich war dabei. Das war allerdings unheimlich, Herr Kommissar. So wütend habe ich Waldi noch nie erlebt. Es war, als würde man in einen riesigen, prallen Ballon mit einer winzigen Nadel stechen, und dieser Ballon rast, wie von Furien gejagt, an die Decke.“
Gerd
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