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Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz

Titel: Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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überführt zu werden. Also bemühte Esther sich um ein einnehmendes Lächeln, damit er sich beruhigte. Allerdings bewirkte es genau das Gegenteil: In Adams Augen flackerte es feurig auf, und im nächsten Moment drückte sein Gewicht sie nieder, und sein Kuss ließ sie ihr Zwiegespräch über den Schlaf vergessen. Überhaupt fasste sie erst wieder einen klaren Gedanken, als sie auf seiner Brust liegend zu Atem kam.

    »Auch wenn das eben der gelungenste Ablenkungsversuch der Geschichte war, kannst du es nicht leugnen.«
    »Was leugnen?« Adams Stimme klang ebenfalls atemlos, außerdem wohnte ihr ein rauer Ton inne, der Esther eine Gänsehaut verursachte.
    »Dass du dich in so mancherlei Hinsicht von deinesgleichen unterscheidest. Anders hat es zwar akzeptiert, dass ich in den Nächten einige Stunden Schlaf brauche, um meinen Aufgaben nachzukommen. Das ändert jedoch nichts daran, dass er mich immer wieder auch nachts anruft, weil ihm gerade etwas Wichtiges eingefallen ist und er dann gern mal vergisst, dass Menschen schlafen.«
    »Und träumen«, ergänzte Adam.
    »Du hast geträumt?«
    »Das tu ich seit vorletzter Nacht, seit du mich in dein Leben eingelassen hast.«
    Gekonnt kratzte Esther ihm mit den Fingernägeln quer über die Brust, woraufhin Adam die Luft zwischen den Zähnen ausstieß. »Charmant, aber diese Hakenschlagerei lasse ich dir nicht durchgehen.«
    »Geheimnisse darfst also nur du haben?«, fragte er scheinheilig. »Halt, liegen geblieben. Dieses Mal lasse ich nicht zu, dass du dich rausschlängelst. Ich will endlich dahinterkommen, wer du bist. Wer die Frau ist, die meinen Dämon schachmatt setzt und die mich so sehr um den Verstand bringt, dass ich einschlafe, obwohl ich eigentlich nicht schlafen kann.«
    Esther versuchte erneut, Adams kräftigen Armen zu entkommen, dann gab sie auf. »Ich habe keine große Geschichte zu bieten, falls du das erwartest. Nur eine gewöhnlich deprimierende Vergangenheit, der ich gerade noch rechtzeitig entkommen bin.« Esther machte eine Pause in der Hoffnung, dass Adam einlenken oder ihr einen Vorwand liefern würde, das Thema zu wechseln, doch er lag ganz still da, bis auf seine Finger,
die mit einer ihrer Haarsträhnen spielten. Sie gab sich einen Ruck. Je schneller sie es hinter sich brachte, umso besser.
    »Meine Familie stammt aus Irland, auf dem Hof meiner Eltern habe ich auch meine Kindheit verbracht. Es war alles so, wie man es sich vorstellt: zu wenig zum Leben, zum Verhun- gern zu viel. Ich kann trotzdem nicht sagen, dass es eine schreckliche Zeit gewesen ist. Nun ja, wenn man das leicht aufbrausende Temperament meines Vaters außen vor lässt. Egal, wie leer der Vorratsschrank war, für schwarzgebrannten Whiskey reichte es immer. Dabei war er kein Trinker im eigentlichen Sinne. Mein Vater war wütend, ständig. Es war ja auch zum Verrücktwerden: fünf Kinder, zwei davon hatten das dritte Lebensjahr nicht erreicht, und eine Missernte nach der anderen. Damals erschien mir das alles ganz gewöhnlich, in anderen Familien des Dorfes ging es schließlich ähnlich zu.«
    Eigentlich hatte Esther an dieser Stelle abbrechen wollen, als sei damit alles Wichtige gesagt. Nur gelang es ihr nicht. Noch nie hatte sie jemandem davon erzählt - nicht etwa, weil es ihr peinlich war, sondern weil sie diesen Lebenspart hatte hinter sich lassen müssen, um weitergehen zu können. Hier bei Adam konnte sie endlich in Worte fassen, was sie einst fein säuberlich weggepackt hatte, damit sie sich neu erfinden konnte. Was sie allerdings nur bedingt getan hatte, wie ihr jetzt bewusst wurde. Es hatte nämlich ein Vorbild gegeben.
    »Die einzige Erinnerung an diese Zeit, die mir Kummer bereitet, ist das Bild meiner Mutter, wie sie mit ihrem mageren, leicht gebeugten Rücken vor dem Spiegel stand, um sich für einen Gang ins Dorf herzurichten. Sie war eine der wenigen Frauen, die Schminke benutzten, wenn sie denn welche auftreiben konnte. Sie konnte übermüdet oder von den ewigen Auseinandersetzungen aufgerieben sein, aber wenn sie das Haus verließ, sah man ihr das nie an. Alles an ihr war perfekt, sie hatte eine unglaubliche Disziplin. Eigentlich war sie nicht für dieses
Leben zwischen grünen Hügeln gemacht, sie wirkte stets fehl am Platz, ein richtiges Kuckucksei.«
    Unwillkürlich wollte Esther sich aufrichten und ihr Haar im Nacken zusammenfassen. Sie musste furchtbar aussehen, schlimmer als ein ungemachtes Bett. Doch Adam zog sie zurück. Sogleich flackerte ihr Widerstand

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