Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz
ja alles wieder gut.«
Diese dicke Lüge verbrauchte sämtlichen Sauerstoff in dem großzügigen Büro, so dass Esther sich an die Kehle griff. Haydens erstarrter Ausdruck bewies, dass es ihm ähnlich erging. Anders mochte es noch so hartnäckig darstellen, als sei sie Adam lediglich in ihrer Funktion als Dienerin gefolgt. Doch Hayden, das war ihr klar, wusste es besser. Ihm war keineswegs entgangen, mit welcher Intensität Adam auf sie reagiert hatte, als er vor ihrem Apartment auf sie gewartet hatte.Wie ein Mann eben auf eine Frau reagiert, die er begehrt. Nicht einmal jemand
wie Adam, dem es ansonsten hervorragend gelang, sein Gesicht in eine Maske zu verwandeln, hatte so starke Gefühle verbergen können.
Das Gleiche galt allerdings auch für sie selbst, wie Esther sich eingestehen musste. Auch ihr hatte Hayden gewiss angemerkt, wie es um ihre Gefühle für Adam bestellt war. Schließlich brauchte sie nur an Adam zu denken, dann baute sich ein innerer Sturm auf, den sie niemals würde bezähmen können.
Aber du kannst deine Empfindungen verstecken, so wie Hayden seine Enttäuschung und Eifersucht wegsperrt, ermahnte Esther sich. Das bist du ihm schuldig. Sie kannte Hayden gut genug, um sicher zu sein, dass er ihr gegenüber niemals auch nur ein Wort darüber verlieren würde. Und er würde ihr auch auf keine andere Weise wegen ihrer Affäre zusetzen. Sei froh, dass du ihn hast, forderte sie sich ein ums andere Mal auf. Er ist ein großartiger Mann, mehr, als du jemals hättest erwarten dürfen. Mehr, als du verdient hast.
»Ich bin genauso erleichtert wie du darüber, dass sich letztendlich alles zum Guten gewendet hat«, bestätigte Hayden Anders’ Worte. »Allerdings will ich noch einmal über deine Erwartung reden, dass Esther ihre Aufgaben bei dir abwickelt, bevor wir beide auf eine längere Hochzeitsreise gehen. Das kann ich nicht gutheißen, nicht nach dem, was passiert ist. Esther und ich sollten die Stadt für eine Zeit lang verlassen, und zwar möglichst schnell.«
Hayden war aufgestanden und hinter Anders getreten, dessen Aufmerksamkeit weiterhin scheinbar ganz den Regelwerken der Juristerei gewidmet war.
»Ach, Hayden, jetzt übertreibst du aber. Die Angelegenheit ist unangenehm, einverstanden. Aber deshalb kann ich doch nicht einfach von heute auf morgen auf Esthers Dienste verzichten. Schließlich war sie jahrelang nicht nur meine rechte Hand, sondern in vielen Dingen quasi mein Gehirn. Ein paar
Tage Zeit solltest du mir da schon zugestehen.« Anders wirkte so locker wie immer, wenn auch ein wenig angesäuert, weil er dieses Thema ein weiteres Mal durchsprechen musste. Für gewöhnlich hätte er es Esther überlassen, die Nacharbeit bei einer Verhandlung zu übernehmen, aber heute musste er sich selbst damit herumquälen.
»Warum überhaupt diese Eile? Du hast Esther doch unversehrt zurückbekommen.«
»Ja, das habe ich. Und ich möchte verhindern, dass sich daran etwas ändert. Du magst zwar daran zweifeln, dass dieser Adam in die Stadt zurückkehren wird. Auf mich hat er, ehrlich gesagt, jedoch den Eindruck eines Mannes gemacht, der unter keinen Umständen etwas aufgibt, das er haben will. Und dass er Esther will, war bei unserem Treffen vor ihrem Apartment nicht zu übersehen.«
»Aber ich will ihn nicht«, fuhr Esther dazwischen.
Die beiden Männer sahen sie erstaunt an, nachdem sie sich während der gesamten Unterhaltung zurückgehalten hatte. Dann blickten sie zeitgleich auf etwas in ihrem Rücken.
»Ist das so?«, fragte eine schmerzlich vertraute Stimme.
Esther wagte es nicht, über ihre Schulter zu blicken. »Ja«, sagte sie tonlos, während der Stoff ihres Rockes unter dem Zerren ihrer Hände nachzugeben drohte.
Unterdessen hatte sich Anders von dem Schrecken erholt. »Sieh an, Adam. Diese Anschleichnummer hättest du lieber in dem Dschungel lassen sollen, aus dem Rischka dich rausgelockt hat. In der Zivilisation unterlässt man nämlich nicht nur das Lauschen an fremden Türen, sondern klopft auch an, bevor man ein Zimmer betritt.«
»Die Zivilisation gehört den Menschen, also solltest du dich besser nicht hinter ihren Regeln verstecken.« Dabei klang Adam so kühl, als hätte zwischen Anders und ihm nie eine Verbindung existiert.
Allein an der Verdichtung der Atmosphäre in ihrem Rücken spürte Esther, dass Adam näher an sie herangetreten war. Dazu brauchte sie nicht in Anders aufeinandergepressten Lippen oder Haydens zu Fäusten geballten Händen zu lesen.
»Ich
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