Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz
gesprochen hatte?
»Entschuldigen Sie bitte«, sagte Carrière, als sie über den Steg gingen. »Ich hätte Sie darauf hinweisen sollen, dass das Hausboot von unangenehmen Wachhunden belagert wird. Für gewöhnlich sind ihre Nasen gut genug, um zu wittern, wenn ich mich nähere.Was mir nur lieb ist, denn je seltener ich diese blutrünstige Bagage sehen muss, desto besser. Dass Truss hervorgekommen ist und Ihnen sogar ihre Beute präsentieren musste, war überraschend. Sie haben wohl ihre Neugierde geweckt.
« Carrière zog die Nase kraus, als wäre mit dieser Vorstellung ein übler Gestank verbunden. »Jetzt sollten wir uns aber beeilen, schließlich werden wir bereits erwartet.«
Mit einer einladenden Geste deutete Carrière auf die Tür zur Kajüte.
Adam biss seine Zähne so fest aufeinander, dass sein Kiefer knackte, dann erst konnte er der Aufforderung nachkommen. Während er nach dem Türknauf griff, sah er, wie Truss ein schwarzes Seidentuch über der Messinglampe ausbreitete. Einen Herzschlag lang war die Nacht noch in Blut getaucht, dann war alles schwarz.
7
Treibgut
Das Innere des Hausboots war ein einziger Salon. Die Decke hing so niedrig, dass Adam befürchtete, jeden Augenblick mit dem Kopf anzustoßen. Die Wände wiesen, wo sie nicht von den flaschengrünen, schweren Vorhängen verhüllt wurden, eine Wölbung nach außen auf, wodurch der Salon etwas sehr Geborgenes ausstrahlte. Die Kandelaber mit ihrem weichen Licht und die dicken Teppiche am Boden taten ein Übriges.
»Fast so gemütlich wie in Mutters Schoß«, brachte Carrière es auf den Punkt, als er die kunstvoll in Blei gefasste Glastür hinter sich zuzog. »Aber lassen Sie sich nicht täuschen«, fügte er mit einer Note zu, die Adam nicht zu deuten wusste.
Es kümmerte ihn im nächsten Moment auch schon nicht mehr, denn er hatte eine Frau entdeckt, die auf einem mit Samt und Pelzkissen ausgestatteten Lager ausgestreckt dalag. Auch wenn ihr sinnliches, in Spitze gekleidetes Äußeres ausgereicht hätte, um die ganze Aufmerksamkeit eines Mannes zu erringen, erkannte Adam, dass es nicht das Hausboot gewesen war, das ihn angelockt hatte, sondern diese Frau. Als hielte sie eine unsichtbare Leine, an der sie ihn zu sich zog.
Mit einem sphinxhaften Ausdruck musterte sie ihn. »Du hattest Recht mit deiner Vermutung, Etienne: Er stammt tatsächlich von einem der Meinen ab«, erklärte sie mit einer ungewöhnlich tiefen Stimme, in der ein harter Akzent mitschwang.
Carrière lachte verhalten. »Tun wir das nicht alle in dieser Stadt? Adam, darf ich Ihnen die Dame vorstellen, die bereit war, mich an der Unsterblichkeit teilhaben zu lassen? Das hier ist die unvergleichliche Rischka.«
Mit unübersehbarem Stolz hob Rischka das Kinn an, obwohl etwas an ihrer Haltung verriet, dass ihr Selbstvertrauen keiner Komplimente bedurfte. »Du bist also Adam. Etienne schrieb mir, dass du nicht weißt, wer du eigentlich bist. Und das, obwohl der Beherrscher dir einen Namen gegeben hat, der darauf schließen lässt, dass du von dem Baum der Erkenntnis gekostet hast. Ein böser Witz?«
»Es steht keineswegs fest, dass der Dämon mir diesen Namen gegeben hat.«
»Dämon? Pfui, was soll denn dieses hässliche Wort? Wir sind doch nicht die Heimstatt für ein nach Schwefel stinkendes Ungeheuer«, warf Rischka amüsiert ein.
»Der Dämon stinkt vielleicht nicht nach Schwefel, aber ein Ungeheuer ist er auf jeden Fall.«
Carrières Anweisung, den Mund zu halten, klang noch in Adams Ohren, und auch seine Instinkte rieten ihm dazu, sich bei dieser Frau zurückzuhalten. Doch die Anspielung, dass der Dämon - oder Beherrscher, wie sie ihn nannte - sein Schöpfer war, konnte er einfach nicht ertragen. »Vielleicht ist mein Name ja das einzige Überbleibsel aus meiner Vergangenheit. Jedenfalls gehört er mir.«
Zu seiner Erleichterung ging Rischka nicht auf diesen Einwurf ein, sondern winkte Carrière zu sich, der sogleich neben ihr Lager trat und einen Kuss über ihrem Handrücken hauchte. Dann zog sie ihn ein Stück zu sich herab und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Gemeinsam lachten sie, ein verstörend fremdes Geräusch, dem wenig Menschliches anhaftete.
Adam nutzte die Gelegenheit und konzentrierte sich auf die Eindrücke des Salons, die ihm seine Sinne verrieten. Rischka
empfing viel Besuch, vor allem Herren, und weder deren Rasierwasser noch die nach Opium und Weihrauch duftenden Räucherstäbchen konnten darüber hinwegtäuschen, womit jeder Flecken dieses Raumes
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