Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz
getränkt war: Schweiß und Blut. Darunter allerdings, unter all den Noten, die Rischkas ganz individuellen Duft ausmachten, fand er noch etwas anderes … wie ein gut verstecktes Geheimnis: Muskat. So alt, dass man es kaum noch wahrnahm. Adam war keineswegs überrascht, denn mit nichts anderem hatte er gerechnet. Doch als der scharfe Muskatduft ihm nun in der Nase brannte, spürte er augenblicklich, wie sein Interesse an der Frau verschwand. Ihre vom Korsett hochgeschobenen und lediglich von schwarzer Spitze verhüllten Brüste reizten ihn ebenso wenig wie ihre sinnlich geformten Lippen oder die weißen Fesseln, die unter dem Saum des Rockes hervorblitzten. Sie waren tatsächlich miteinander verwandt, sie alle, auf eine Weise, die er nicht verstand - noch nicht.
Rischka legte die Stirn in Falten, als könne sie seinen plötzlichen Stimmungswechsel von seiner Miene ablesen. Sie stützte sich auf einem Arm auf, während Carrière Platz auf einem Stuhl in ihrer Nähe nahm.
»Etienne hat mich gebeten, dir dabei zu helfen, deinen Zustand besser zu begreifen. Für gewöhnlich verschmelzen der Beherrscher und sein erwähltes Haus derartig miteinander, dass eine solche Aufklärung gar nicht vonnöten ist.Aber du scheinst mir ein besonderes Exemplar zu sein.«
Dabei betonte sie das Wort Exemplar so, als wolle sie Adam damit reizen. Als wäre er ein Pferd, das einem interessierten Käufer vorgeführt wurde. Oder nur eine weitere Fliege im Netz des Dämons, ohne einen eigenen Willen. Adam spürte ein Prickeln auf seiner Zunge, hielt sich jedoch zurück. Vermutlich musste er für seine Unverfrorenheit ohnehin noch büßen, da war er sich sicher. Jemand wie Rischka mochte keine Eigenwilligkeit
bei ihrem Gegenüber akzeptieren, und noch weniger mochte sie Männer, die nicht auf ihre Reize reagierten.
Unterdessen nahm Rischka sich die Zeit, eine schwarze Locke aus ihrem kunstvoll hochgesteckten Haar zu lösen und sie um ihren Zeigefinger zu wickeln, ehe sie weitersprach. »Du gibst mir Rätsel auf, Adam. Unser Beherrscher hat zweifelsohne Besitz von deinem Körper ergriffen, und du hast ihm auch bereits ein erstes Opfer gebracht, wie ich hörte.«
Adam schnaufte abfällig. »Er hat es sich geholt, ohne mein Zutun. Dein Beherrscher, wie du ihn nennst, ist sich nämlich keineswegs zu schade dafür, seine Opfer selbst abzuschlachten, wenn der Lakai nicht willig ist.«
»Du bist ein wahrhaftiger Tempel für den Beherrscher«, fuhr Rischka fort, als habe er soeben nichts gesagt. »Woher stammt also dieser Widerwille gegen seinen Machtanspruch? Ich bin in den Jahrhunderten, die nun schon an mir vorbeigezogen sind, einigen Geschöpfen begegnet, denen der Beherrscher seltsame Dinge angetan hat. Aber das Auslöschen einer Vergangenheit anstelle der Seele ist mir bislang noch nicht untergekommen. Lass uns am besten von vorn beginnen, damit wir diese komplizierte Situation Schritt für Schritt klären können. Zieh deinen Mantel, deine Jacke und Weste aus«, kommandierte sie ihn in einem Ton, der keinen Widerspruch zuließ.
Also zog Adam auch bloß seine Augenbrauen vor Erstaunen und mit einer Spur von Belustigung hoch, ehe er ihrer Aufforderung nachkam.
»Und nun, weg mit dieser Halsbinde und öffne dein Hemd.«
Dieses Mal dauerte es etwas länger, bevor Adam der Aufforderung folgte. »Es ist keine Bissnarbe an meinem Hals zu finden«, erklärte er, während er seinen Hemdkragen lockerte und ein paar Schritte auf das Lager zutrat.
»Das weiß ich.« Auf Rischkas Gesicht breitete sich ein gerissenes Lächeln aus. »Ich wollte mich nur einer Vermutung versichern.
Dreh dich einmal um dich selbst. Aber langsam, wenn ich bitten darf.«
Adam, der gerade wie gewünscht sein Hemd aufknöpfte, hielt mitten in der Bewegung inne. »Nein, das werde ich nicht tun.«
Seine Stimme war derartig fest, dass Carrières Augenlider zuckten, als hätte man ihm Sand ins Gesicht geworfen.Ansonsten hielt er sich wohlweislich aus diesem Kräftemessen heraus.
»Schade. Und dabei bin ich doch so neugierig, ob deine Kehrseite an Attraktivität mit der Vorderseite mithalten kann.« Das Lächeln auf Rischkas Gesicht wurde breiter. Sie ließ ihre Augen noch einmal über Adams Gestalt wandern und genoss die gelungene Demütigung, dann sagte sie an Etienne gewandt: »Nun, bei unserem Freund fällt es zumindest leicht, zu erraten, warum der Beherrscher ihn erwählt hat. Er ist von einem atemberaubend schönen Äußeren. So ein Körper und vor allem so ein
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