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Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz

Titel: Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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von den Unseren war, wurde von der Entscheidung des Dämons, einen neuen Tempel zu beziehen, vermutlich vollkommen überwältigt. Das erste Mal, wenn man den Dämon teilt, kann sehr verwirrend sein. Schließlich ist man plötzlich selbst derjenige, dessen Blut vergossen wird.Außerdem gehört unser schöner Adam offenbar zu der rücksichtslosen Sorte, ansonsten wäre er kaum mit so viel Blut beschmiert gewesen. Hat wohl einfach nicht genug bekommen vom roten Lebensfluss.«
    »Ich soll das Blut eines anderen getrunken haben, ohne dass mich der Dämon dazu zwang?«, fragte Adam, die Stimme heiser vor Unglauben.
    »Nun, der Dämon wird dich ermuntert haben, so wie du deine Opfer ermunterst, mit dir zu gehen. Aber die Entscheidung, das Geschenk des ewigen Lebens anzunehmen, ist allein dir überlassen. Es war deine Entscheidung. Da gibt es nichts zu beschönigen. Du hast den Kuss des Dämons empfangen …«
    »Die Sache mit dem Kuss erwähnte Carrière schon. Ich will darüber nichts hören.«
    Rischka verschluckte sich am Rauch, als sie lachen musste. »Wer hätte gedacht, dass ein Kuss so viel Unwillen auslösen kann?«

    »Warum braucht es ihn überhaupt?« Adam war an eins der schmalen Butzenfenster getreten und spähte seitlich des Vorhangs auf das schwarze Wasser der Seine.
    »Der Kuss«, sagte Rischka ungewöhnlich sanft. »Nicht einmal Blut schmeckt so gut. Es ist vielleicht der einzige Moment, in dem der Dämon dem Menschen unterlegen ist. Ohne diese Einladung kann er sich nicht teilen. Denn der Dämon ist viele und doch immer nur einer. Wir tragen alle ein und denselben Dämon in uns, aber sein Gewand färbt sich beim Betreten eines neuen Tempels einzigartig ein, wenn er durch das vergossene Blut schreitet. Daher weiß ich, dass du in meiner Blutlinie stehst, ich spüre ein Echo meines Dämons in dir - mein Opfer, das anderen die Unsterblichkeit geschenkt hat.«
    »Von Anfang an geht es also nur ums Opfern.«
    Es gelang Adam nicht, seinen Blick vom glänzend fließenden Wasser zu lösen. Es schien ihm jeden Augenblick ein Geheimnis offenbaren zu wollen. Nicht einmal, als Rischka sich dicht an seine Seite stellte und den Vorhang so weit beiseiteschob, dass auch sie hinausblicken konnte.
    »Wir sind die Werkzeuge des Beherrschers, nur dazu erschaffen, ihm seine Opfer darzubringen«, erklärte sie nüchtern.
    »Das ist bestialisch.«
    »Natürlich, aber es ist auch viel mehr als das. Denn den Menschen selbst ist das Blutopfer nicht fremd.Warum sonst gibt es den Kult um das Blut, die Faszination, es fließen zu sehen? Es ist einer der ältesten Bräuche der Menschheit, dem Opfer die Kehle aufzuschlitzen und es ausbluten zu lassen. Blut steht für Leben, wir verschwenden es für unseren Beherrscher und bekommen dafür die Unsterblichkeit geschenkt.«
    Carrière stieß seinen Gehstock auf dem Boden auf, ein Beweis, wie nah ihm dieses Thema ging. »Der Dämon fordert Blut, zweifellos. Aber er trachtet nicht nach dem Leben der Opfer.«

    »Glaubst du das nach vier Jahren mit dem Beherrscher in deiner Brust immer noch, mein lieber Etienne? Natürlich sehnt sich unser Beherrscher nach dem Tod, denn erst wenn das Opfer erlischt, war es ein wahres Blutopfer.« Rischka wandte sich Adam zu, einen milden Ausdruck auf dem Gesicht, obwohl sie doch von so grausamen Dingen sprach. »Etienne wehrt sich tapfer gegen den Gedanken, dass er sich mit dem Einzug des Beherrschers in einen Scharfrichter verwandelt hat. Der Gedanke, dass ein Opfer mit Lust und an Wahnsinn grenzende Hingabe dargebracht wird, schreckt ihn ab. Er ist ganz ein Kind dieses zu Ende gehenden Jahrhunderts, das sich so unendlich modern wähnt. Man glaubt, Gewalt, Revolten und Krieg gehörten der Vergangenheit an - aber das ist reine Dummheit. Der Fortschritt rottet das Böse genauso wenig aus, wie der sich ausbreitende Wohlstand nicht das Wilde, das in jedem Geschöpf schlummert, bezähmen kann.«
    Rischka wiegte den Kopf, als stimme sie diese Vorstellung traurig.
    »Etienne glaubt, er könnte den Beherrscher mit ein paar Blutstropfen besänftigen, und verzweifelt jedes Mal, wenn er scheitert. Es sind die menschlichen Überreste in ihm, die ihn so empfinden lassen. Darum tut der Beherrscher beim Eindringen gut daran, wenn er vollständig mit seinem Tempel verschmilzt, damit seine Diener solche Gewissensqualen nicht ausstehen müssen. Man muss den Menschen ganz absterben lassen und sich uneingeschränkt dem Beherrscher zuwenden, um sich seinem Geschenk der

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