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Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz

Titel: Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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diesen Koffer noch nie gesehen, aber er riecht ganz eindeutig nach mir.«
    Beherzt hakte Carrière sich bei Adam ein und führte ihn in einen ruhigen Wartesaal, der unangenehm muffig nach feuchter Kleidung und Langeweile roch. Ein altes Ehepaar wurde von seinen Kindern hineinbugsiert, bis man alles geregelt habe. Ein Mann mit einem abgewetzten Koffer verbarg sich hinter einer Zeitung, und eine Frau mit einem Kleinkind an der Hand
kam nur kurz herein, denn kaum begann das Kind zu greinen, floh sie wieder.
    Adam sah sich mit einem entrüsteten Blick um. »Hier soll ich den Koffer öffnen?«
    »Was spricht gegen den Wartesaal? Oder vermuten Sie, einen abgetrennten Frauenkopf in dem Koffer aufbewahrt zu haben?«, hielt Carrière amüsiert dagegen.
    »Eine etwas intimere Umgebung wäre mir einfach angenehmer.«
    »Gewiss wäre es das, aber ich bezweifele, dass Ihre angespannten Nerven eine weitere Kutschfahrt aushalten würden. Also zieren Sie sich nicht wie eine Jungfrau, sondern öffnen Sie endlich den Koffer.«
    Für einen Moment froren Adam sämtliche Gesichtsmuskeln ein, während er sich vorstellte, zwei Dinge gleichzeitig zu tun: Carrière für seine Unverschämtheit aus vollen Lungen anzuschreien und panisch den Wartesaal ohne den Koffer zu verlassen. Dann riss er sich zusammen, legte sich das Gepäckstück auf die Knie und ließ die Schließen aufspringen.
    Nichts von dem, was er sah, war ungewöhnlich, und genau das verwirrte Adam. Er sah sauber zusammengelegte Herrenkleidung von der gleichen italienischen Schneiderei wie die, die er bei seiner Begegnung mit dem Dämon getragen hatte, und einen Kulturbeutel mit einer bekannten Pariser Seife, wie Carrière sofort anmerkte, und deren schwerer Geruch Adam die Nase verklebte. Nichts wies auf den Mann hin, der er einmal gewesen war. Enttäuscht wollte er schon aufgeben, als er zwischen zwei Hemden einen Umschlag ertastete. Mit steifen Fingern holte er einen Pass und ein Zugticket hervor.Vor lauter Anspannung biss er sich auf die Unterlippe und schmeckte im nächsten Moment sein eigenes Blut. Geradezu betörend streichelte es über seinen Gaumen.
    Herzlichen Dank, machte sich der Dämon über ihn lustig.

    Adam würgte.
    »Lassen Sie mich das einmal machen«, bot Carrière leise an, dem älteren Ehepaar, das besorgt zu ihnen herüberblickte, beruhigend zulächelnd. »Hier haben wir also einen italienischen Pass, ausgestellt auf einen Remo Galgani. Fühlen Sie sich wie ein Remo Galgani? Nein?«
    Mehr als einen wütenden Blick brachte Adam nicht zustande, während er noch gegen seinen Ekel ankämpfte.
    »Wundert mich nicht«, fuhr Carrière ungerührt fort. »Dem jungen Herrn hier sehen Sie nämlich nur auf den ersten Blick ähnlich, auch wenn die Fotografie äußerst verwischt ist. Man könnte fast von Absicht sprechen. Das ändert jedoch nichts daran, dass der Unterschied auffällt: Ihre Augen sind einfach unvergleichlich. Nun gut, neben einem falschen Ausweis habe ich hier noch eine Geburtsurkunde, ausgestellt auf einen Charles Penrose, geboren 1869 in Hampshire, England. Klingt das vertraut? Auch nicht? Zumindest einer Sache können wir uns gewiss sein: Remo oder Charles hatte ein Zugticket nach Konstantinopel erworben. Eine Fahrt mit dem luxuriösen Orientexpress, die über Budapest, Belgrad und Sofia geht - alles Orte, an denen man unbedingt einmal gewesen sein muss. Leider war die Abfahrt auf vor zwei Tagen datiert. Ein Jammer um die verpasste Chance.«
    »Ich wollte nach Konstantinopel reisen, mit einem falschen Pass?«
    Adams Stimme zitterte leicht, was er der allmählich weichenden Übelkeit zuschrieb. Er warf nur einen hastigen Blick auf Remo Galganis Pass, der neben seiner eigenen auch eine verräterische fremde Note trug, womit Carrières Vermutung bestätigt war. Diesen Pass hatte lange Zeit ein anderer mit sich geführt. Dann nahm er die Geburtsurkunde in die Hand und wog sie, als könne ihr Gewicht etwas über sie aussagen.
    »Und einer Geburtsurkunde, die eindeutig einem anderen gehört«, ergänzte Carrière eifrig. Als er Adams verstörten Gesichtsausdruck
bemerkte, fügte er schnell an: »Selbst wenn eine englische Herkunft zumindest Ihre Sommersprossen und Ihr schlechtes Benehmen erklären würden, gehört Sie Ihnen nicht. Bedenken Sie das Geburtsdatum: 1869. Sie sind zwar noch ein junger Bursche, mein Bester.Aber gerade einmal zwanzig Jahre alt? Da habe ich so meine Zweifel.«
    Adam dachte kurz darüber nach, dann sagte er mit deutlichem

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