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Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz

Titel: Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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zu rasch an Grenzen stoßen.
    Mit einem Rucken kamen die Räder der Maschine auf, eine gute Landung. Trotzdem verzog der wuchtige Geschäftsmann im Sitz gegenüber das Gesicht, als verspürte er einen Schmerz. Adam würde es nicht wundern, wenn der Mann später am Abend, wenn er in irgendeinem Motel eingecheckt hatte und zum ersten Mal seit Stunden zur Ruhe kam, feststellte, dass sein linker Arm taub war und ihm der Brustkorb zu eng wurde. Stress und Übergewicht, aber noch schlimmer war die Angst, die ihn während des Fluges gequält hatte. Adam glaubte seine Gedanken
regelrecht lesen zu können, so einfach waren die Informationen zu deuten, die ihm seine Sinne über diesen Sitzpartner zusandten. Dieses Spiel beherrschte er mittlerweile meisterlich.
    Ja, es muss die Angst vor dem Flug sein, hatte der Geschäftsmann sich einzureden versucht, obwohl die Maschine nicht in übermäßige Turbulenzen geraten war. Dabei waren es in Wirklichkeit uralte Instinkte, die auf eine viel unmittelbarere Gefahr als einen Absturz reagierten. Nur hatte der Verstand des Mannes sofort Protest eingelegt - so wie es den meisten erging, die sich in Adams Gegenwart befanden. Fast konnte Adam diese Gedanken schon mitsprechen. Welche Gefahr außer einem Absturz konnte schon bestehen?, fragte der Mann sich zweifelsohne. Dass die verflixte Stewardess zu viel Zucker in den Kaffee rührte, weil sie nur Augen für den Kerl hatte, der ihm gegenübersaß? Diesen Langweiler, der seinen Versuch einer Unterhaltung einfach ignoriert hatte und seit dem Start unablässig aus dem Fenster starrte, als gäbe es dort etwas Interessanteres als Wolken und - eine gefühlte Ewigkeit später - den nächtlichen Ozean zu sehen? Trotzdem hatte er den jungen Mann unentwegt anstarren müssen und war nervös zusammengezuckt, wenn dieser sich einmal geregt hatte.
    Dass ein Mann in einem modisch eleganten Anzug, der sich weder für die angebotene Tageszeitung noch für Kaffee und schon gar nicht für die aufregende Figur der Stewardess interessierte, ihm den Angstschweiß auf die Stirn trieb, war doch einfach unmöglich, oder? Ganz gleich jedoch, wie sehr er diesen Instinkt infrage stellte, sein Herz raste, und es gelang ihm nicht einmal, ein Nickerchen zu halten, obwohl er todmüde war und sein erster Tag in Los Angeles ihm einiges abverlangen würde. Seine Nebenniere pumpte unbeeindruckt Adrenalin ins Blut, bis er völlig durchgeschwitzt war und sich mehr als je zuvor wie ein kleines Tier fühlte, das man in einem Raubtierkäfig seinem Schicksal überlassen hatte.

    Dabei hatte Adam sein Bestes gegeben, den Mann nicht unnötig zu beunruhigen. Nicht etwa aus Mitleid.Von dieser Art Typ gab es unzählige in Städten und Vororten, auf einen mehr oder weniger kam es da kaum an.Außerdem dünstete der Mann etwas aus, das einige unangenehme Vorlieben verriet. Nicht, dass Adam sich daran störte. Im Laufe der Zeit hatte er einige perverse Zeitvertreibe der Menschen kennengelernt, und wenn es dabei nur um Latex ging, zählte diese Vorliebe sogar zu den harmloseren.
    Trotzdem hätte er viel dafür gegeben, diesen schwitzenden Fleischberg mit einem Tritt aus der Maschine zu befördern. Dabei ging es ihm nicht nur um den Angstgestank, der den Dämon weckte. Auch seine Sinne beherrschte Adam mittlerweile so weit, dass er sie nach Wunsch ausblenden konnte und sie ihm deshalb nicht mehr über seinen Sitzpartner verrieten, als ihm lieb war. Was ihn ärgerte, waren seine auf den Plan gerufenen Jagdinstinkte. Sie wollten die leichte Beute stellen - vermutlich aus Langeweile und weil der Dämon sie anpeitschte, ohne dass er etwas dagegen ausrichten konnte.
    Der Dicke fürchtet sich, er wittert das Raubtier, das ihn im Auge hat.Was würde wohl geschehen, wenn er plötzlich begriffe, dass er zu Recht Angst hat. Eine tödliche Angst.
    Der Dämon wollte nichts von dem Latexfreund, aber er vertrieb sich die Zeit gern damit, Adam ein wenig zu quälen. Ein stetiger Beweis seiner Dominanz, die er auch nach all dieser langen Zeit nicht müde wurde zu demonstrieren. Vielleicht ließ sein Diener sich ja dazu herab, doch noch etwas Unangebrachtes zu tun, nur um das Prickeln in seinem Inneren endlich zu besänftigen.
    Adam kannte dieses Spielchen und wusste aus leidlicher Erfahrung, dass in so einem Fall nur stures Ausharren half. In einer Propellermaschine, die gerade mal ein Dutzend Passagiere fasste und den größten Flughafen Kaliforniens ansteuerte, ließe
sich ein Blutbad nur auf eine sehr

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