Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz

Titel: Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
Vom Netzwerk:
radikale Weise verschleiern. Und er verspürte kein Verlangen, vom Feuer gezeichnet und zerschlagen aus Trümmern hervorzukriechen, damit der Dämon sich angemessen unterhalten fühlte.
    Kaum ertönte der Aufruf, man könne die Maschine nun verlassen, sprang der Geschäftsmann auf und packte sich sogleich keuchend an die Brust. Aus rein anerzogener Höflichkeit nickte er Adam zum Abschied zu, dann schwankte er davon. Adam gewährte ihm einen Vorsprung und erhob sich erst, als ihm die dunkelhaarige Stewardess, die sich nur allzu gern fürsorglich um ihn gekümmert hätte, ein Lächeln zuwarf. Mit einem Griff hatte er seine Tasche aus der Ablage geangelt und war an ihr vorbei, ehe sie auch nur ein Wort an ihn richten konnte.
    Ihre Haarfarbe war schön, ein weicher Glanz wie bei dunkler Schokolade. Mir gefallen solche Haare, ließ der Dämon ihn wissen.
    Wie gewöhnlich ging Adam auf ein solches Geplänkel nicht ein.Wenn es dem Dämon ernst gewesen wäre, wäre er natürlich sofort umgekehrt, um die Dunkelhaarige anzusprechen. Aber so schwieg er und hielt sein Gesicht dem blassen Sonnenlicht hin, das durch den Winterhimmel brach. Nicht weit von ihm entfernt dröhnte Baulärm, wo mit Hochdruck an der Fertigstellung eines seltsam anmutenden Gebäudes gearbeitet wurde, das auf vier spinnenartigen Beinen stand und den Flughafen überragte.
    Ein UFO, frisch gelandet im Jahre 1961, dachte Adam, während er die Flughafenhalle durchschritt, um ein Taxi zu suchen. Ja, die Stadt könnte mir gefallen.An welch anderem Ort würde man das Unwahrscheinliche nicht nur erwarten, sondern es sogar als gewöhnlichen Bestandteil des Alltags akzeptieren?
     
    Ungeduldig ging Rischka in der Empfangshalle des Hotels Fin de siècle auf und ab. Die mit poliertem Mahagoniholz ausstaffierten Wände und die Samtvorhänge zerrten an ihren Nerven,
um die es an diesem frühen Nachmittag nicht zum Besten bestellt war. Erneut zupfte sie am Kragen ihres Pelzmantels, dessen Leopardenmuster den Barkeeper fesselte, der um diese Uhrzeit noch nichts zu tun hatte. Ihr Mantel, die Nähte ihrer Strümpfe, die Höhe ihrer Absätze … Und sofort wanderte sein Blick ein weiteres Mal aufwärts. Normalerweise hätte Rischka nichts dagegen einzuwenden gehabt, das Unterhaltungsprogramm für einen Kerl zu geben - aber nicht heute, da ihr die Anspannung den Nacken hochkroch wie eine kalte Hand.
    Mit extra laut klackernden Schritten hielt sie auf den Barkeeper zu, der bei jedem Klack sichtlich zusammenzuckte. Mit auf den Tresen aufgestützten Unterarmen beugte sie sich so weit vor, wie es ihr möglich war, und sagte: »Jetzt sieh noch einmal gründlich hin, und dann will ich deinen aufdringlichen Blick nie wieder auf mir spüren. Ansonsten werde ich dafür sorgen, dass du nacheinander deine Augäpfel runterschluckst. Glaub mir, Süßer, das ist keine leere Drohung, hohe Absätze sind zu einigem zu gebrauchen.«
    Noch ehe der Barkeeper seine Fassung zurückgewinnen konnte, drehte Rischka sich um und verharrte plötzlich mitten in der Bewegung. Adam stand in der Bogentür, die in die Bar führte. Angelehnt, die Hände in den Hosentaschen vergraben und sichtlich amüsiert. Zwar lächelte er keineswegs, aber Rischka kannte ihn gut genug, um zu wissen, wann ihm etwas Vergnügen bereitete.
    »Du hast deine Anschleichtechnik wirklich perfektioniert«, sagte sie anstelle einer Begrüßung.
    »Ganz im Gegensatz zu dir. Die Maschinengewehrsalven deiner Absätze haben fast das Hotel zum Einsturz gebracht.«
    »Warum musstest du dich auch unbedingt in einem solch heruntergekommenen Schuppen einquartieren?«
    Adam machte ein betrübtes Gesicht. »Und dabei dachte
ich, du hast eine empfängliche Ader für Sentimentalität. Samtvorhänge und Holzvertäfelung … wie bei unserem ersten Treffen.«
    Bevor Rischka sich zu einer Antwort hinreißen ließ, musterte sie ihn eingehend. Er machte sich über sie lustig, zweifelsohne. Adam gab keinen Deut auf die Vergangenheit, genau wie sie. Vielmehr noch war Zeit etwas, das für ihn nicht zu existieren schien. Zwar passte er sich wohl oder übel den gängigen Moden an, aber der Zeitgeist vermochte ihn nicht zu berühren. Er war immer Adam. Seit er in jenem über sieben Jahrzehnte zurückliegenden Morgengrauen seine Vergangenheit verloren hatte, hatte er auch keine neue hinzugewonnen. Wie der Dämon, der ihn beherrschte, lebte er vollkommen in der Gegenwart, nichts hinterließ Spuren. Zumindest nicht, seit er sich entschlossen hatte, den

Weitere Kostenlose Bücher