Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz
würde der starke Muskatduft, dem er ansonsten mit Widerwillen begegnete, seine Sinne verführen. Alles an diesem breitschultrigen Mann war mit einem Mal eine Einladung - und das Verlangen, sie anzunehmen, war so verlockend, dass es fast schmerzte. Mit einem Schlag war er nicht mehr als ein Komet, der von einer übermächtigen Sonne angezogen wurde. Und die Ahnung, dass er in ihrer Nähe verglühen würde, schreckte ihn kaum.
Mehr, mehr davon , winselte der Dämon.
Adam brach der Schweiß aus. Das war weder Mensch noch Dämon, in dessen Bann er geraten war. Es konnte nur eine Gabe sein, ähnlich der von Rischka. Diese Erkenntnis ernüchterte ihn so weit, dass er der heftigen Sehnsucht, die Anders’ Berührung auslöste, widerstehen konnte. Betont langsam zog er seine Hand zurück. Das Funkeln in Anders’ braunen Augen verriet, dass er sehr wohl wusste, was in seinem Gegenüber vorging. Doch Adam zog es vor, darüber hinwegzugehen. Zu verwirrend war die eben gemachte Erfahrung. Gern wollte er so tun, als sei soeben nichts Außergewöhnliches passiert.
»Was sind schon Namen?«, fragte Adam, dem der Klang seiner Stimme tönern in den Ohren dröhnte. »Sie verraten ja doch nichts über die Person, die sie trägt.«
»Meinen Sie?«
Anders trat zur Seite, als Adam sich zu Rischka hinunterbeugte und die Luft einen Hauch von ihrer Wange entfernt küsste. Bevor er sich wieder aufrichten konnte, umfing sie seinen Nacken mit einem festen Griff und flüsterte ihm ins Ohr: »Ich würde viel dafür geben, jetzt das Feuerwerk deiner Instinkte miterleben zu dürfen. Erahnst du bereits Anders’ Gabe?«
Obwohl Adam das Atmen unterließ, solange er so dicht bei Rischka war, legte sich ihr Muskatduft dennoch auf seine Zunge und hinterließ einen schalen Geschmack wie erkaltetes Blut. Er war nur ganz fein, trotzdem regte sich automatisch Übelkeit. Wie konnte es nur sein, dass Anders’ Geruch genau die gegenteilige Wirkung bei ihm erzielte? Oder hatte er etwas anderes an sich, das seine Sinne bannte?
»Ich weiß nicht, wie, aber bei der Berührung übte Anders einen Einfluss auf mich aus. Scheint so, als sei seine Gabe deiner nicht unähnlich: Ihr seid beide Meister im Verführen.«
Rischka lächelte geheimnisvoll, ließ Adams Nacken los und richtete ihre Aufmerksamkeit auf Anders. »Du bist viel zu nachsichtig mit Adam umgegangen. Ansonsten schreckst du doch nicht davor zurück, dich deinesgleichen bei der ersten Gelegenheit zu offenbaren.«
Die Achseln zuckend, nahm Anders eine silberne Zigarettenbox vom Beistelltisch und reichte sie Adam. Als der ablehnte, nahm er sich selbst eine Zigarette und blinzelte Rischka durch den aufsteigenden Rauch zu. »Warum unnötig Adams Empfindsamkeit herausfordern? Ich möchte schließlich, dass er etwas für mich erledigt, und nicht, dass er sich dazu berufen fühlt, kurzen Prozess mit mir zu machen. Eilt ihm doch ein Ruf als gnadenloser Jäger voraus.«
»Wenn Sie über meine Empfindsamkeit «, Adam sprach das Wort wie einen schlechten Scherz aus, »im Bilde sind, dann
sollten Sie in meiner Gegenwart besser nicht über mich reden. Ich könnte sonst vielleicht einen falschen Eindruck gewinnen.«
»Nicht doch.« Anders machte eine wegwerfende Handbewegung und setzte sich auf den niedrigen Tisch vor dem Sofa. Sogleich legte Rischka ihre nackten Füße auf seinen Schoß. »Wenn ich Sie hätte verärgern wollen, hätte ich die Chance dafür bei unserer Begrüßung genutzt. Sie machen nämlich nicht den Eindruck, als wüssten Sie eine Verführung zu schätzen.«
»Das stimmt.« Obgleich Adam sich bemühte, ernst, wenn nicht sogar bedrohlich zu wirken, konnte er nur mühsam ein Lächeln zurückhalten. Warum auch immer, er mochte Anders - trotz seiner verwirrenden Gabe.
Im Laufe der Zeit hatte Adam gelernt, seinesgleichen in zwei Lager aufzuteilen: Solche, in denen der Dämon so wild wütete, dass sie oftmals jede Ähnlichkeit mit einem Menschen verloren. Truss gehörte zu ihnen, denn außer dem Willen zu töten, war ihr nichts geblieben. Wenn sie nicht ihrer Bestimmung nachging, mied sie die Menschen, denn sie war nicht in der Lage, ihr Geheimnis zu verbergen. Vermutlich wollte sie das nicht einmal, sie liebte den Dämon mit einer fiebrigen Hingabe, die Adam fremd war. Sowohl Anders als auch Rischka gehörten der anderen Sorte an, der es spielend gelang, unerkannt unter den Menschen zu wandeln. Seiner Erfahrung nach war bei dieser Sorte die Verschmelzung von Mensch und Dämon am
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