Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz
nutzte die erstbeste Gelegenheit, seine Finger über den leuchtend roten Lack
eines Porsche Spyder 550 tanzen zu lassen. Es reihte sich ein spektakulärer Wagen an den anderen, doch sein Blick wurde ganz unvermittelt von einer Karosserie angezogen, deren graue Farbe an einen Sandstrand nach dem Regen erinnerte. Die Silhouette war schlicht und geradlinig, voller Eleganz. Er war sich sicher, dass der Wagen mehr über die Straßen gleiten als fahren würde. Sein Interesse, dem Geheimnis des Muskatdufts auf den Grund zu gehen, war angesichts dieser geballten Stärke und Schnelligkeit, die so wunderbar verpackt waren, vorübergehend erloschen.
Der Mann im Polohemd hatte für dieses Maß an Begeisterung allerdings wenig Verständnis und unterbrach die Andacht mit einem lautstarken Räuspern. »Hier entlang, bitte«, sagte er, wobei das »Bitte« nicht sonderlich höflich, sondern eher wie eine letzte Aufforderung klang.
Adam spielte mit dem Gedanken, es auf ein Kräftemessen ankommen zu lassen, besann sich jedoch eines Besseren. Sich mit einem Torwächter anzulegen, um noch einen Moment länger einen Wagen zu begutachten, war sicherlich nicht die geschickteste Art, sich bei dem Autonarr einzuführen.
Notgedrungen riss Adam sich los und ging durch das Tor, hinter dem sich ein weitläufiger Garten den Hügel hinab erstreckte, dessen Zentrum ein kreisrunder Swimmingpool war. Seitlich davon, und von der Straße aus wegen der wild wuchernden Kalifornischen Heckenkirsche nicht einsehbar, lag eine moderne Villa mit einer beeindruckenden Glasfront.
Während Adam dem geschwungenen Pflasterweg folgte, verstärkte sich der Muskatduft mit jedem Schritt und erreichte seinen Höhepunkt in dem Wohnzimmer, das er bereits vom Garten her einsehen konnte.
Rischka saß mit angezogenen Beinen auf einem Sofa, einen Zigarillo in der locker über der Lehne hängenden Hand. Ihr schulterfreies Kleid in kräftigem Apricot war der einzige Farbtupfer in dem zurückhaltend eingerichteten Raum. Neben ihr
saß ein Mann mit sandfarbenem Haar, das im Nacken sehr kurz geschnitten war. Sie waren beide in eine Unterhaltung vertieft, bis Rischka plötzlich den Kopf hob und Adam ein Lächeln zuwarf.
»Hallo, mein Liebling. Da bist du ja endlich«, sagte sie mit ihrer sinnlichen Stimme.
Adam rang sich ein höfliches Lächeln ab, als er dem Torwächter seinen Trenchcoat in den Arm drückte, ehe er auf die Sitzgruppe zuging. »Der Taxifahrer wäre fast wieder umgekehrt, weil er sich nicht vorstellen konnte, dass sich hinter den Wänden aus Efeu und anderem Grünzeug irgendwo ein Haus befinden sollte.«
Der blonde Mann drehte sich um und musterte Adam ohne eine Spur von Zurückhaltung, obgleich er dabei keineswegs unfreundlich wirkte. »Nach allem, was ich von Rischka über Sie gehört habe, hätte es mich überrascht, wenn Sie sich so leicht hätten ins Bockshorn jagen lassen.« Seine Augenlider waren schwer, und sein breiter Mund glich dem einer Frau. Trotzdem strahlte er etwas durch und durch Männliches aus. Ganz eindeutig Rischkas Geschmack, wie Adam belustigt feststellte. Außerdem jagte der Dämon über sein Antlitz, als brauchte es nicht viel, um ihn hervorbrechen zu lassen.
Zu Hause, endlich zu Hause , flüsterte der Dämon in Adam, dann folgte nur noch unverständliches Gemurmel.
Verwirrt stellte Adam fest, wie sehnsüchtig und verängstigt zugleich der Dämon klang. Beinahe fühlte er sich versucht nachzufragen. Nur vermied er es in der Regel tunlichst, auf die Stimme einzugehen. Auch jetzt verspürte er kein Verlangen, hier sogleich als Exot dazustehen, denn trotz seiner vielen Reisen hatte er nie einen von seiner Art getroffen, dessen Dämon mit einer eigenen Stimme sprach. Die anderen hörten nur ein Wispern oder ein Rauschen, ähnlich dem eigenen Herzschlag, den man vernimmt, wenn man sich die Ohren zuhält.
»Vielen Dank für die Einladung, Mister …«, setzte Adam stattdessen an.
Der Mann kam leichtfüßig auf die Beine und hielt ihm mit weit ausgestrecktem Arm die Hand entgegen. »Entschuldigen Sie, wie gedankenlos von mir, mich nicht vorzustellen. Anders - nur Anders, ganz der Tradition unserer Art entsprechend, die ja nicht viel von Familiennamen hält. Eigentlich schade.«
Zögernd nahm Adam die Hand, und kaum berührte er sie, hatte er das Gefühl, als überwältige ihn eine fremde Macht. Vollkommen unvermittelt verspürte er das Bedürfnis, Anders nicht wieder loszulassen. Er war vielmehr kurz davor, ihn an sich zu ziehen, als
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