Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz
vollkommensten gelungen. Denn selbst wenn Anders in seiner modernen Villa saß, rauchte und die Füße einer schönen Frau streichelte, war sein Handeln rein auf den Willen des Dämons ausgerichtet. Dabei teilten sie diesen Körper nicht etwa, sondern der Mensch, der Anders früher gewesen war, war gewichen. Dieses Geschöpf hatte nichts mehr mit den Regeln gemeinsam, die für die Sterblichen galten: Die Zeit berührte ihn genauso wenig wie die Naturgesetze, Moral und Gefühl
quälten ihn nicht, er folgte blind dem Willen des Dämons, indem er ihm opferte und seine Gabe aufblühen ließ. Allerdings konnte Adam nach siebzig Jahren immer noch nicht sagen, welcher Sorte er eigentlich zuzurechnen war. Obwohl er auf den ersten Blick genau dasselbe tat wie Rischka und Anders, unterschied er sich dennoch von ihnen. Dem Dämon zu dienen, hieß für ihn nämlich nicht, ihn zu lieben. Wie sollte man auch Liebe oder gar Respekt für jemanden empfinden, der einem die eigene Würde geraubt hatte?
»Adam! Hörst du mich denn nicht?«
Unwillkürlich zuckte er zusammen, als Rischkas belustigter Ton ihn erreichte.
»Hat Anders dich etwa doch mehr aus der Fassung gebracht, als es zunächst den Anschein hatte? Diese Selbstversunkenheit kenne ich ansonsten nur von Etienne, wenn er angestrengt nach den kümmerlichen Resten seiner Seele forscht.«
»Da gibt es bei mir nichts zu erforschen.« Er ignorierte Rischkas Aufforderung, sich neben sie zu setzen. Stattdessen machte er zwei Schritte auf den Kamin zu, zu dem das Sofa im rechten Winkel stand, und lehnte sich gegen die Wand. »Auch wenn ich unseren Gastgeber und sein Anwesen - vor allem seinen Fuhrpark - hochinteressant finde, würde ich gern langsam zum Kern unseres Zusammentreffens kommen. Warum bin ich hier?«
Anders’ Lachen war ein volltönendes Geräusch, das bei Adam die Impression eines gut gelaunten Mannes, der mit seinen Freunden zusammen Bier trank, weckte. Doch Anders würde weder Bier trinken, noch kannte er Freundschaft, sondern nur Handel und Zweckbündnisse. Der Dämon war ein eifersüchtiger Tyrann. »Rischka erwähnte zwar, dass Sie sehr - nun ja - direkt und kurz angebunden wären, aber dass Sie ein Autonarr sind, hat sie nicht erwähnt.«
»Wen kümmern schon Automobile?«, fragte Rischka gelangweilt
und verzog im nächsten Moment den Mund zu einem »O«, als ihr bewusst wurde, was für einen altmodischen Begriff sie gewählt hatte. »Autos«, korrigierte sie sich hastig.
Anders betrachtete sie mit einem nicht zu deutenden Interesse, dann wandte er sich wieder Adam zu. »Nun, welches Modell hat es Ihnen denn angetan?«
»Das kann ich leider nicht sagen. Ihr Türsteher hatte es nämlich sehr eilig, so dass ich nur einen Teil der silbergrauen Seitenfront zu sehen bekommen habe.«
»Ach, der gute Benson stand also zwischen Ihnen und dem Objekt Ihres Interesses. Da kann er wohl von Glück reden, dass Sie ihn nicht kurzerhand beiseitegefegt haben. Oder vielmehr ich, denn er mag zwar ein Klotz von einem Kerl sein, aber ansonsten ist er durchaus brauchbar.« Anders schnippte seine aufgerauchte Zigarette ins Kaminfeuer. Ein listiges Lächeln stahl sich auf sein Gesicht und betonte seine ausgeprägten Wangenknochen. »Kein Wunder, dass Sie das Modell nicht gleich zuordnen konnten. Der Mk10 ist eigentlich noch gar nicht käuflich erwerbbar, aber aufgrund einiger Patente habe ich einen guten Draht zum Hersteller. Warum wundert es mich nicht, dass ausgerechnet ein Jaguar Ihr Interesse geweckt hat? Ihre Ähnlichkeit mit einer Raubkatze hat Rischka nämlich nicht unerwähnt gelassen.«
Adam ging auf die letzte Bemerkung gar nicht erst ein. »Der ganze Wohlstand hier wird also mit Patenten bezahlt?«
Anders’ Grinsen wurde breiter, und einen Moment lang sah es ganz danach aus, als sei er noch nicht bereit, das Raubkatzenthema aufzugeben. Doch dann legte er Rischkas Füße sanft auf das Sofa zurück und gesellte sich zu Adam. »Ingenieurshandwerk, ja. Keine sonderlich schillernde Geldquelle hier in Los Angeles, aber auch keine ungewöhnliche. Obwohl ich mir wohl bald Sorgen darum machen muss, wem ich meine gewinnbringenden Patente vererben kann.«
»Bin ich deshalb hier, weil Ihnen jemand Schwierigkeiten macht?«
Auch wenn Adam bereits etwas in dieser Richtung erwartet hatte, war er nun enttäuscht. Zwar kam es ihm unmaßgeblich vor, aber er hatte mehr erwartet, seit er Anders gegenübergetreten war. Dem Auftrag, jemanden zu jagen und zu stellen, wohnte mit einem
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