Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz
zügeln.Von dem Dämon war jedoch keine Spur zu erkennen. Zwar umgab Adam eine Fassade aus Distanziertheit, aber es war die eines Menschen, der niemanden zu nah an sich herankommen lassen wollte. Esther erkannte das deshalb so genau, weil sie sich oft des gleichen Mittels bediente.
Nun, da sich ihr Puls wieder beruhigt hatte, begann sie erneut: »Der Auftrag, mit dem Anders Sie betraut hat, dreht sich im Wesentlichen um …«
»Seit ich in L. A. angekommen bin, habe ich das Meer noch nicht gesehen«, unterbrach Adam sie, keineswegs grob, aber doch sehr bestimmt. »Ich glaube, es ist noch nicht zu spät für einen Ausflug.«
»Ich werde mich mit meinen Ausführungen beeilen.«
»Das ist nicht notwendig, obwohl ich nichts dagegen einzuwenden hätte, wenn Sie schnell machen würden, Esther.Wenn man am Meer spazieren geht, gibt es nämlich nichts Besseres, als zu schweigen und den Wellen zuzuhören.«
Esther schnappte vor Verblüffung nach Luft. »Sie erwarten doch wohl nicht ernsthaft, dass ich Sie begleite?«
Allem Anschein nach doch, denn Adam hatte sich bereits umgedreht und schlenderte in Richtung Ausgang. Einen Moment lang überlegte sie, ob es sinnvoll war, ihn einfach ziehen zu lassen. Allerdings würde dann nicht nur Anders mit ihr unzufrieden sein … und außerdem kam ihr die Vorstellung eines Spaziergangs am Meer gar nicht so abwegig vor. Es wäre bedeutend leichter, mit diesem Mann zu sprechen, wenn man dabei aufs Wasser hinausblicken konnte, anstatt unentwegt in diese Katzenaugen sehen zu müssen. Obwohl alle Vernunft ihr widersprach, folgte sie Adam zum Ausgang des Hotels.
9
Winterfeuer
Der Strand lag verlassen da, nur in weiter Ferne konnte man die Umrisse von einigen Spaziergängern erkennen. Hundehalter oder vielleicht auch Eltern, die mit ihren Kindern umhertollten. Das Januarlicht war klar und schneidend, so dass Esther notgedrungen die Hand als Schattenspender zu Hilfe nehmen musste, wenn sie aufs glitzernde Wellenspiel sehen wollte. Zu Adams Enttäuschung hatte sie sich ein Tuch um den Kopf gebunden. Dabei hätte er gern gesehen, wie der Wind diese Fülle aus blassem Rotgold zum Flirren brachte.
Während der Autofahrt war sie überraschend still gewesen, das Gesicht verschlossen wie eine Auster, und auch ansonsten hatte nichts an ihr etwas darüber verraten, was sie von diesem erzwungenen Ausflug hielt. Die perfekte Dienerin. Fast fühlte Adam sich herausgefordert, den spärlichen Spuren nachzugehen, die sie trotzdem unwillentlich über ihre Persönlichkeit preisgab. Doch er riss sich zusammen. Esther umwehte ein Geheimnis, und er würde sich nicht an ihr versündigen, indem er es ihr gegen ihren Willen entriss. Was auch immer er bislang getan haben mochte, es hatte sie schon ausreichend gegen ihn aufgebracht.
Der Sand war nass und schwer, und Esther versank immer wieder mit den Absätzen. Adam reichte es vollkommen aus, neben ihr herzuschlendern und sie gelegentlich am Ellbogen zu stützen, was sie ihm mit einem gereizten Funkeln dankte.
Auch das sollte ihm recht sein, denn auf diese Weise bekam er die Chance geboten, ihre grauen Augen zu betrachten. Jedes Mal spürte er der Empfindung nach, die sie in ihm wachgerufen hatten. Noch ein Geheimnis, aber von der süßen Art.
Zeitverschwendung , knurrte der Dämon. Ich will sie nicht - nicht ihr Blut, nicht ihren Körper. Sie ist vielleicht Anders’ Dienerin, aber sonst zu nichts zu gebrauchen.
Ehe Adam sich’s versah, hatte sich ein Lächeln auf seine Züge geschlichen. Noch nie zuvor hatte er die unüberwindbare Trennlinie zwischen dem Dämon und sich mehr begrüßt als bei diesen Worten. Hätte die Stimme ihm zugeraunt, dass sie Esther begehrte, hätte er ohne eine Erklärung kehrtgemacht und wäre direkt zum Flughafen gefahren, um nie wieder zurückzukehren. Aber der Dämon wollte sie nicht - ganz im Gegensatz zu ihm, wie er sich zu seiner eigenen Verwunderung eingestehen musste.
Seit den Erlebnissen in Paris hatte Adam sich von Frauen, die ihn anzogen, tunlichst ferngehalten. Stets schwebte ihm die Gefahr vor Augen, der Dämon könnte die Gelegenheit nutzen, ein weiteres Mal nach der Alleinherrschaft zu greifen, sobald er sich fallenließ. Allerdings hatte auch noch nie eine andere Frau dieses berauschende Gefühl in ihm geweckt, das seine Vernunft einfach ausschaltete.
Esther war jene Art von kühler Schönheit zu eigen, die den meisten Männern zu viel Respekt einflößte, als dass sie sich zu Dummheiten wie einem Flirt hätten
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