Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz
gewesen, ihre Verkleidung als distanzierte Dienerin abzulegen und endlich auf seine Annäherungsversuche einzugehen.Vielleicht wäre dabei ein hitzig geführtes Gespräch herausgekommen, darüber, was von einem erzwungenen Rendezvous am Strand zu halten war. Es wäre der Auftakt zu einem sich rasch steigernden Schlagabtausch geworden, wie Adam sie gewiss liebte und Esther sie früher auch mit Leidenschaft geführt hatte.Aber sie wusste genau, wie solche Dinge endeten. Männer wie Adam taten alles mit Leidenschaft - ob sie einen nun liebten oder in den Abgrund rissen. Deshalb hatte sie alles getan, um Adams Versuche, sich ihr zu nähern, im Keim zu ersticken.
Vielleicht sollte sie Anders darum bitten, Adam künftig von ihr fernzuhalten, aber diesen Gedanken verwarf Esther sofort wieder. Anders war ein vorbildlicher Chef, der nie irgendwelche Grenzen überschritt. Allerdings erwartete er dasselbe von ihr: Sie sollte ihren Job machen und ihn nicht mit Nebensächlichkeiten belästigen. Und selbst wenn sie es gewagt hätte, ihm einen solchen Wunsch vorzutragen, so hätte er zweifelsohne angefangen, Fragen zu stellen. Fragen, die sie auf keinen Fall beantworten wollte. Dafür war ihre Reaktion auf Adam zu wirr und mit zu vielen Gefühlen besetzt.Außerdem hätte sie Anders
damit jede Menge Unannehmlichkeiten beschert. Und Unannehmlichkeiten hasste Anders. Nein, es würde ganz allein bei ihr liegen, Adam aus dem Weg zu gehen.
Esther zog sich gerade ein Kleid über, als es an der Tür klopfte. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass Eli, ihre Nachbarin, ihr wohl noch schnell den Apartmentschlüssel überreichen wollte, bevor sie zum Flughafen eilte. Eli war Stewardess und die meiste Zeit irgendwo in der Weltgeschichte unterwegs. Die beiden Frauen verband eine lockere Freundschaft, die darauf beruhte, dass Esther sich über jeden Kontakt freute, wenn die Gefahr nicht bestand, er könnte enger werden, und Eli über eine Konstante in ihrem unsteten Privatleben froh war. Außerdem musste ja auch jemand Elis Blumen gießen, während sie einen Jetlag irgendwo auf der anderen Seite der Erdkugel ausstand.
Während sie das Kleid davon abhielt, von ihren Schultern zu rutschen, öffnete Esther die Tür. »Du hättest dir wirklich keinen besseren Moment aussuchen können, Liebes. Den Reißverschluss dieses Kleides bekommt vielleicht eine Akrobatin am Rücken zu, ich aber nicht.«
Zu ihrem Entsetzen stand jedoch nicht Eli in Stewardessenuniform und mit roten Hektikflecken im Gesicht vor ihr, sondern Adam, der ihr Lächeln erwiderte, ehe sie es von ihrem Gesicht verbannen konnte.
»Klingt tatsächlich so, als hätte ich mir keinen besseren Moment zum Anklopfen aussuchen können.«
Esther, die zu perplex war, um zu reagieren, ließ sich von ihm in die Diele schieben. Als er ihr mit der Hand bedeutete, sich umzudrehen, gelang es ihr wenigstens, ihn wütend anzufunkeln. Zu ihrem Unglück wurde sein Lächeln nur breiter.
»Nun, meinetwegen kann das Kleid gern geöffnet bleiben. Mir zumindest gefällt der Anblick Ihres Rückens.«
»Wovon reden Sie?«
Dann kam Esther der Ankleidespiegel in den Sinn, der direkt hinter ihr stand und Adam zweifelsohne ihre Rückansicht präsentierte. Mit einem Stöhnen drehte sie sich um. Als er langsamer als notwenig den Reißverschluss schloss, kam sie nicht umhin, ein Prickeln entlang ihrer Wirbelsäule wahrzunehmen. Überflüssigerweise strich er den Stoff an ihren Schultern glatt, woraufhin sie sich auf die Unterlippe biss, um dem Kribbeln etwas entgegenzusetzen.
Schnell brachte sie den dringend notwendigen Abstand zwischen sich und ihn.
»Vielen Dank.«
Obwohl sie ihn nicht anschaute, konnte sie trotzdem sein Lächeln spüren. Einen Augenblick lang befürchtete sie, er könnte sich zu einem anzüglichen Spruch hinreißen lassen, stattdessen sagte er schlicht: »Gern geschehen.«
Geradezu verräterisch hektisch griff sie nach ihrer Handtasche, als könne sie sie als Bollwerk zwischen ihnen einsetzen. Dann musste sie die Tasche allerdings wieder beiseitelegen, weil ihre Pumps noch im Schrank standen. Esther zwang sich, sie in Ruhe anzuziehen, während Adam zum Fenster ging und hinausblickte. Er war die Gelassenheit in Person, was sie fast noch mehr reizte als die Tatsache, dass er so leicht in ihr privates Reich eingedrungen war.
»Ich möchte Ihnen gern erklären, warum ich so überrascht war, jemand anders als meine Nachbarin vor der Tür stehen zu haben: Ich empfange in der Regel niemanden
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