Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz
in meinem Apartment, die meisten meiner Bekannten kennen nicht einmal die Adresse.Anders kennt meine Adresse zwar, aber er würde sie nie herausgeben, ohne mich vorher zu fragen.Wie konnten Sie mich also finden?«
Zuerst sah es so aus, als sei ein lässiges Schulterzucken die einzige Antwort, die Adam ihr zugestehen würde. Sie wollte schon verärgert nachfragen, als er sagte: »Es gibt nicht gerade
viel in dieser Stadt, das mitten im Winter nach Apfelblüten duftet. Selbst in Kalifornien nicht.«
Die Worte trafen Esther so unvermittelt, dass sie sich die Hand vor die Brust schlug. Doch Adam schien sich weder aus seinem Geständnis noch aus ihrer Reaktion etwas zu machen.
Hastig bemühte sie sich, das Gespräch wieder in normale Bahnen zu lenken. »Warum haben Sie nicht einfach unten an der Tür geklingelt, wie es sich gehört?«
Adams Finger ertasteten die Risse im Lack der Fensterrahmen, die der Salzluft und der Sonne geschuldet waren. »Weil ich neugierig war«, sagte er ohne einen Anflug von schlechtem Gewissen.
»Und? Befriedigt mein Apartment Ihre Neugierde?« Esther trat so dicht hinter ihn, dass sein Geruch ihr in die Nase stieg. Schnee, er riecht so klar wie Schnee … kann das sein? »Nicht, dass ich auch nur eine Vorstellung davon habe, was Sie hier zu sehen erwartet haben.«
»Sie natürlich - was sonst?«
Im ersten Moment glaubte Esther, dass es sich bei seinen Worten bloß um eine smarte Replik handelte, aber dann verstand sie, dass er mehr damit meinte: Er wollte einen Blick hinter die Kulissen werfen, sehen, wer sie wirklich war.
Schlagartig wich ihr das Blut aus dem Gesicht.
Als könne er ihre Bestürzung spüren, wandte Adam sich ihr zu und musterte sie eindringlich. »Mein Interesse sollte Sie wirklich nicht verschrecken«, sagte er in einem leichten Tonfall, aber Esther entging keineswegs, wie ernst sein Ausdruck dabei war. Dieses Spiel musste aufhören, jetzt sofort.
»Es gefällt mir, ehrlich gesagt, nicht sonderlich, in den Fokus von Anders’ Jäger zu geraten. Man könnte glatt glauben, ich wäre ein Bestandteil der Spur, der Sie in seinem Auftrag folgen sollen.«
»Kein Bestandteil der Spur, aber Sie sind genauso darauf angesetzt wie ich.«
»Ich war darauf angesetzt. Mit dem Erstellen der Liste habe ich meine Schuldigkeit getan.« Da Adam schwieg, schluckte Esther hart. »Hat sich in der Zwischenzeit etwas an der Strategie geändert?«
Einen schrecklichen Moment lang blickte Adam sie noch mit diesen Augen an, die mehr wahrzunehmen schienen, als ihr lieb war. Dann nickte er. »Normalerweise würde ich mir eine solche Spur allein erarbeiten, aber in diesem Fall spielt die Zeit gegen uns. Anders hat mir Ihre Unterstützung zugesichert.«
»Das geht nicht.«
»Warum nicht?«
»Ich bin dafür verantwortlich, dass Anders’ Alltag einwandfrei abläuft. Ich kümmere mich um Theaterreservierungen wie auch um die Betreuung jener Menschen, die sich ihm freiwillig als Opfer andienen. Das ist mein Job und nicht etwa, einer Blutspur durch Los Angeles hinterherzujagen.«
Adam stand so vollkommen reglos da, dass sie befürchtete, es wäre ihm gleichgültig, was sie zu sagen hatte. Dann zuckte sein Kiefer, als würde er an ihrer Ablehnung zu kauen haben. »Vielleicht sollten Sie es so sehen: Mich auf der Jagd zu unterstützen, ist die größte Erleichterung, die Sie Anders zurzeit verschaffen können. Ganz das, was eine treu ergebene Dienerin sich wünscht.«
»Erzählen Sie mir nicht, wie ich meinen Job zu machen habe! Kümmern Sie sich lieber um Ihren - wenn Sie das nämlich täten, bräuchten Sie mich nicht.« Esthers Stimme überschlug sich und verriet ihre aufsteigende Panik. Sie musste diesen Mann dazu bekommen, auf ihre Dienste zu verzichten, sofort. Ansonsten wusste sie nicht, wie es enden würde.
Als könne Adam ihre Angst riechen - und verflucht noch mal, vermutlich konnte er das -, lächelte er sie beruhigend an. Ein wunderschönes Lächeln, das ihm im Zusammenspiel mit
seinen klaren Gesichtszügen etwas Engelhaftes verlieh. Doch Esther wusste es besser.
»Dieses Lächeln können Sie sich sparen, eine Dienerin braucht man nicht mit Charme zu überzeugen. Ich werde selbstverständlich tun, was Anders von mir wünscht. Auch wenn ich bei Ihrer Suche eher ein Stolperstein als eine echte Hilfe sein werde.«
In diesem Moment klingelte das Telefon, und sie sahen es beide an, als wäre es ein Störenfried, der frecherweise ihren Schlagabtausch unterbrach. Erst als Adam fragend die
Weitere Kostenlose Bücher