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Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz

Titel: Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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erwarten doch wohl nicht ernsthaft, dass ich im Wagen sitzen bleibe,
während Sie Sherlock Holmes spielen? Damit würden Sie endgültig beweisen, wie unsinnig meine Begleitung ist. Entweder brauchen Sie meine Hilfe wirklich, dann komme ich auch mit, oder Sie führen diese ganze Unternehmung ad absurdum.«
    »Im Moment brauche ich Sie wirklich nicht. Passen Sie auf den Wagen auf, dann haben Sie etwas zu tun, auch wenn es Ihre Eitelkeit als Dienerin vermutlich verletzt.« Selbst in Adams Ohren klang seine Entgegnung lahm. Er wartete, bis sie ihre Hand zurückzog, dann erst konnte er ihren Blick erwidern. »Eine Sache sollten wir allerdings noch klären: Ich habe keine Lust, mich vor Ihnen verteidigen zu müssen. Oder schuldet Ihnen Anders etwa Rechenschaft, wenn er etwas von Ihnen einfordert? Nein? Habe ich mir gedacht.«
    Adam sah noch, wie sich die Schamesröte ob seiner Zurechtweisung auf Esthers Wangen ausbreitete, dann schlug er die Wagentür zu. Er ekelte sich vor sich selbst, aber er hatte einfach keine andere Möglichkeit gesehen, als sie derart anzugreifen.
    Mit langen Schritten durchquerte er den Vorgarten, der nicht mehr als eine gelbe Rasenfläche war, und verpasste der Lattentür, die den Hinterhof abschirmte, einen Tritt, dass sie krachend zur Seite flog. Der Hof war quadratisch. Früher mochte man hier Wäsche getrocknet und gegrillt haben, aber jetzt zeugten nur noch ein paar verlassene Dinge davon, die sich in den Ecken stapelten. In der Mitte ließ sich ein dunkler Fleck auf dem Erdboden erahnen, ausgewaschen vom Regen. Für Adams empfindsame Sinne reichte es allerdings noch aus: Den Gestank von geronnenem Blut erkannte er überall. Darüber hinaus verriet es, dass es sich keineswegs um eine schlichte Schnittwunde gehandelt hatte. Die braunen Reste, die sich mit dem Erdreich verbunden hatten, waren aus einer Arterie geflossen, dem Sinnbild eines Lebensbrunnens, wie ihn der Dämon bevorzugte. Unweigerlich spürte er eine feine Regung seines Dämons, mehr jedoch nicht.

    Adam blieb vor dem Flecken stehen und sah sich um. Einerseits leuchtete es ihm ein, dass der Opferungsmeister sich diesen Ort ausgesucht hatte, andererseits kam ihm alles ein wenig karg vor. Nichts als schmutziger Grund hatte hier als Altar gedient. Dagegen waren die anderen Opfer geradezu theatralisch ausgeblutet worden, stets in passender Umgebung wie etwa einer alten Kirche. Und er hatte nicht geaast, bis der Boden mit Blut getränkt war. So eine sinnlose Verschwendung. Nein, so richtig passte das alles nicht zu Esthers Liste, da hatte Anders Recht. Trotzdem ging Adam davon aus, es mit einer Opferung zu tun zu haben. Es mochte nicht mehr als eine Erinnerung sein, aber es hing eine Spur von Muskat in der Luft.
    Adam ging dazu über, den mannshohen Zaun zu inspizieren. An einer Stelle auf der Rückseite des Hofs waren Latten herausgebrochen und gegen die Querverstrebung gelehnt worden. Mit der Hand schob Adam sie beiseite und scherte sich nicht darum, dass einige Splitter ins Fleisch eindrangen. Doch der kurze Schmerz erinnerte ihn an die Male auf seinem Oberarm, wo Rischka ihre Fingernägel in sein Fleisch gegraben hatte. Sie leuchteten scharlachrot und hatten sich immer noch nicht wieder ganz geschlossen, obwohl der Dämon sich nach Kräften bemühte und er sie zusätzlich unter Wasser ausgewaschen hatte. Er hatte fast vergessen, wie es war, wenn Wunden nicht sofort wieder verheilten. Bei der nächsten Gelegenheit musste er ein ernstes Gespräch mit Rischka unter vier Augen führen. Irgendetwas stimmte bei ihr ganz und gar nicht.
    Hinter dem Grundstück fiel das unbebaute Gelände steil ab, nur von Gestrüpp und Unkraut bedeckt. Direkt hinter der Zaunlücke war es niedergedrückt, weil die Polizeibeamten sich hier ebenfalls umgesehen hatten. Allerdings hatten sie es unterlassen, den Abhang herunterzusteigen. Vermutlich weil die nächste Straße nur zu erreichen war, wenn man einen Fluss
überquerte, und sie zu der Überzeugung gekommen waren, dass niemand diese Richtung einschlagen würde. Adam war da anderer Meinung, auch wenn seine Sinne ihm lediglich eine kaum noch wahrnehmbare Fährte offerierten. Aber die Mischung aus Blut und Muskat verlor sich nicht so leicht.
    Gerade als er sich an den Abstieg machen wollte, hörte er Schritte auf dem Hof. Während Esther durch die Lücke glitt, stand er mit verschränkten Armen da - was ein Glück für sie war, denn im ersten Moment hatte er den Wunsch verspürt, sie beim Nacken zu packen,

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