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Nachtglut: Roman (German Edition)

Nachtglut: Roman (German Edition)

Titel: Nachtglut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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ändert.«
    Das tat Anna.
    Jack wußte nicht, was von ihm erwartet wurde. Sollte er gehen oder bleiben? Wollte sie ihn an ihrer Seite wissen oder wünschte sie, er würde verschwinden? Unsicher nahm er auf einem Sofa Platz, das in rechtem Winkel zu Annas und Davids Sitzgelegenheit stand. Aus einem wenig verlockenden Stapel alter Zeitschriften auf einem Beistelltisch suchte er sich ein Heft über Barschfischerei heraus und versuchte zu lesen.
    Um Mitternacht wurden die Neonleuchten an der Zimmerdecke ausgeschaltet; nur einige Tischlampen brannten noch, deren gedämpftes Licht dem Schlaf förderlicher war.
Im Wartezimmer befand sich außer Anna, David und Jack nur noch ein älteres Ehepaar. Der Mann hatte sich auf einem Liegesessel ausgestreckt. Leises Schnarchen drang hin und wieder aus seinem geöffneten Mund. Die Frau hatte sich auf einem Sofa in den Schlaf geweint. Jack überlegte flüchtig, was für eine Krise die beiden in dieser Nacht hier wohl festhielt.
    Nach einer Weile schlief David in Annas Armen ein. Sie trug ihn zu einer Liege und deckte ihn mit einer Wolldecke, die ihr jemand vom Personal brachte, zu. Jack bemerkte, daß sie sich die Oberarme rieb, und berührte kurz ihren Ellbogen, um sich bemerkbar zu machen.
    »Ist Ihnen kalt?«
    Sie wies zum Luftschlitz der Klimaanlage. Er holte eine zweite Decke und legte sie Anna um die Schultern.
    »Danke.«
    »Gern geschehen. Möchten Sie etwas zu trinken? Kaffee? Cola? Einen Saft?«
    Kopfschüttelnd ließ sie sich nach rückwärts in die Polster sinken und schloß erschöpft die Augen.
    Jack versuchte, es sich auf seinem Sofa bequem zu machen. Schnell hatte er festgestellt, daß die Barschfischerei ihn wenig interessierte. Auch die zweite Zeitschrift, die er sich heraussuchte, vermochte ihn nicht lange zu fesseln.
    Tatsache war, daß er nicht lesen konnte, weil er immer Anna anstarren mußte. Ihre Haltung, der Kopf zurückgelegt, der Hals gewölbt und bloß, erinnerte ihn an das Schwarzweißfoto, das sie am Zaun stehend zeigte. Sie mußte es selbst aufgenommen haben.
    Ganz schön raffiniert, der Blickwinkel, den sie gewählt hatte. Ganz schön begabt, sich so eine Pose einfallen zu lassen. Ganz schön clever, dieser Einsatz von grellem Licht und tiefem Schatten. Ganz schön schön!
    War sie schön? Nicht im landläufigen Sinn, nicht wie ein Model oder ein Filmstar. Anders als klassische Schönheit
war die ihre – eher überraschend. Interessantere Gesichtszüge wies sie auf, von starkem Ausdruck, mit jeder Stimmung wechselnd. Sie hatte ein Gesicht, das man immer ansehen konnte, oder zumindest so lange, bis man endlich dahintergekommen war, warum, zum Teufel, man den Blick nicht abwenden wollte.
    Er fragte sich, wie sie den Moment im Pferdestall empfunden hatte. Als sie an dem Abend über den Hof gerannt war, als würde sie von allen Hunden der Hölle verfolgt – was war ihr da durch den Kopf gegangen?
    Eventuell gar nichts. Oder sie hatte überlegt, warum es nicht endlich regnete oder was sie am nächsten Morgen zum Frühstück machen wollte oder ob sie das Paar Schuhe kaufen sollte, das sie in der Stadt gesehen hatte. Vielleicht war es für sie gar nicht ein Moment in dem Sinn gewesen wie für ihn? Der seine Welt erschüttert, aber in ihrer womöglich nicht einmal ein leichtes Beben ausgelöst hatte.
    Jack war nahe daran gewesen, sie an sich zu ziehen und auf den Mund zu küssen. Ihre Flucht sah aus, als hätte sie genau davor Angst gehabt. Aber hatte sie Angst gehabt, weil sie sich gewünscht hatte, von ihm geküßt zu werden, oder weil der Gedanke an einen Kuß von ihm sie abstieß?
    Er hatte sich eingebildet, das erstere sei zutreffend. Aber er konnte sich irren. Vielleicht war sie davongelaufen, weil er aus dem Mund roch. Oder sein Körper ihr unangenehm war. Oder weil sie ihn nicht attraktiv fand.
    Man konnte ihn weiß der Himmel nicht als gutaussehend bezeichnen. Sein Gesicht war nicht unbedingt von Meisterhand modelliert; eher von einem blutigen Dilettanten, der mit einer Kettensäge an einem Holzklotz herumgefuhrwerkt hatte. Nein, mit seinem Äußeren war kein Blumentopf zu gewinnen.
    Aber bisher hatten sich die Frauen davon nicht abschrecken lassen. Im Gegenteil, viele hatten ihm erklärt, seine Ecken und Kanten besäßen eine unheimlich erotische
Ausstrahlung. Vielleicht war’s das – vielleicht hatte er eine zu starke erotische Ausstrahlung.
    Anna war aus Angst davongelaufen. Es gab viele Frauen, die völlig kopflos reagierten, wenn sie sich

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