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Nachtglut: Roman (German Edition)

Nachtglut: Roman (German Edition)

Titel: Nachtglut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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Unerwartetes, irgendwas Verrücktes  – um sie davon zu überzeugen, daß er nicht mit seinem Bruder unter einer Decke steckte.
    Aber was?
     
    Ezzy hatte sich noch nicht daran gewöhnt, den Lincoln zu fahren.
    Vor zwölf Jahren hatte er ihn gekauft, weil Cora behauptete, sie bräuchten ein geräumiges Auto. Wozu, war ihm
schleierhaft. Bis vor wenigen Wochen war ein Streifenwagen sein Transportmittel gewesen. Der Lincoln besaß alle Schikanen, die für dieses Baujahr lieferbar gewesen waren; aber Ezzy vermißte das Knistern und Rauschen der Polizeifunkanlage.
    Er hatte die Klimaanlage voll aufgedreht, ein Luxus, den er sich in Coras Beisein nicht erlauben dürfte, sie fror noch, wenn es draußen fünfunddreißig Grad hatte. Aber heute wäre sicher nicht einmal ihr kalt. Die Sonne lag glühend auf dem Beton des Highway, auf dem er nach Norden fuhr.
    Als er gestern zum tausendstenmal die Akte McCorkle durchstudiert hatte, war er auf den Namen des Mannes gestoßen, der in der Nacht von Patsy McCorkles Tod im Wagon Wheel an der Bar bedient hatte. Seinen Aufzeichnungen und seiner Erinnerung zufolge war Parker Gee den ermittelnden Beamten gegenüber mürrisch und abweisend gewesen. Er fragte sich, ob seine Laune sich vielleicht im Lauf der vergangenen zweiundzwanzig Jahre gebessert hatte. Der Haken war nur, er wußte nicht, wo er den Mann suchen sollte.
    Warum nicht in der Kneipe anfangen? Seit jenem Sommer hatte sie mehrmals den Besitzer und den Namen gewechselt. Jetzt hieß sie schlicht Blowhard, wie er sah, als er auf dem verlassenen Parkplatz anhielt. Komischer Name, dachte er.
    Drinnen war es jetzt, um die Mittagszeit, so dunkel wie Mitternacht – aber weit ruhiger. Der derzeitige Barkeeper schaute sich im Fernsehen eine Seifenoper an, während er Gläser polierte, die dringend gebraucht werden würden, wenn gegen vier Uhr die Gäste in Scharen zur Happy Hour hereinströmten.
    »Parker Gee?« sagte er, nachdem er Ezzy ein Glas Eistee auf Kosten des Hauses hingestellt hatte. »Mann, das liegt lange zurück. Zuletzt hab ich gehört, daß er aus Blewer weg ist. Aber ich glaub, er hat noch Familie hier.«
    Ezzy fuhr nach Hause und schlug das Telefonbuch auf. Damit, dachte er, hätte er auch gleich anfangen können, aber na ja… Der Abstecher in die Kneipe war eine willkommene Abwechslung gewesen; schließlich konnte er sich nicht den ganzen Tag um Coras Usambaraveilchen sorgen, die am Küchenfenster standen und die Köpfe hängen ließen.
    Nach einigen Fehlversuchen erreichte er schließlich einen Vetter. »Parker Gee liegt oben in Big Sandy im Krankenhaus.«
    Und nun war Ezzy also auf der Fahrt dorthin. Er traf kurz nach elf ein. Der Patient besaß nur noch eine Restlunge. Ihr größerer Teil war dem Krebs und einer Verzweiflungsoperation zum Opfer gefallen. Ezzy hätte den einstmals bulligen Wirt des Wagon Wheel nicht wiedererkannt, wenn nicht eine Schwester ihn zu ihm geführt hätte.
    Er nannte Parker Gee seinen Namen. Die Nähe des Todes hatte keine wesentliche Charakteränderung bewirkt.
    »Ja, ich erinner mich«, sagte Gee, »… hab gedacht, Sie wären längst unter der Erde.«
    Ezzy unterließ es, ihn darauf hinzuweisen, daß er – Ezzy – zwar zwanzig Jahre mehr auf dem Buckel hatte, jedoch Gee derjenige war, der sich mit einem Fuß im Grabe befand. »Nein, nur im Ruhestand!«
    »Was wollen Sie dann hier oben? Eine Touristenattraktion ist dieses verdammte Krankenhaus bestimmt nicht.«
    In der Befürchtung, Gee würde den Geist aufgeben, ehe er seine Fragen beantworten konnte, kam Ezzy ohne Umschweife zur Sache. »Ich wollte mich mit Ihnen über Patsy McCorkle unterhalten.«
    »Haben Sie das immer noch nicht aufgegeben?«
    »Nein.«
    Gee hustete in ein Taschentuch. »Was wollen Sie denn wissen?«
    »Alles.«
    »Ich hab nicht mehr viel Zeit. Warum sollt ich das bißchen
Luft, das ich noch hab, an solche alten Geschichten verschwenden?«
    Ezzy sah ihn nur an und drehte dabei seinen Strohhut zwischen den Fingern.
    Schließlich stieß Gee einen unterdrückten Fluch aus und trank einen Schluck Wasser. »Die war ’ne Schlampe.«
    »Das weiß ich.«
    »Sonst gibt’s da nichts zu sagen. Ich hab’s mir auch ein paarmal von ihr besorgen lassen. Wollen Sie wissen, ob sie gut war?« Er lachte, bis das Geschepper in einen Hustenanfall überging.
    Normalerweise hätte es Ezzy bedrückt, einen Todkranken so gequält zu sehen, und er hätte ihn wahrscheinlich in Ruhe gelassen; aber Gee war ein so unerfreulicher

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