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Nachtglut: Roman (German Edition)

Nachtglut: Roman (German Edition)

Titel: Nachtglut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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mit einem gehörlosen Mädchen zu schlafen.
    Schon in der Schulzeit fing das an und verlief jedesmal nach demselben Muster. Ein Junge flirtete mit ihr, führte sie aus und erwartete dann gewisse Gegenleistungen für seine huldvolle Aufmerksamkeit. Nicht fähig, mit der Zurückweisung umzugehen, brüsteten sich die Jungen danach mit Eroberungen, die sie nie gemacht hatten. Einer versuchte, mit seinen Heldentaten den anderen zu übertrumpfen, und immer tollere Geschichten über sie gerieten in Umlauf. Ihr schlechter Ruf blühte und gedieh, obwohl er jeder Grundlage entbehrte. Aber wer glaubte schon den stummen Beteuerungen einer Gehörlosen? Jedenfalls nicht die Jungen, die ganz scharf darauf waren, in dieses sexuelle Schlaraffenland vorzudringen – von dem sie im Duschraum der Schule soviel gehört hatten. Und erst recht nicht die Mädchen, die sie als Flittchen verachteten und es ihr insgeheim neideten, daß sie bei den Jungen so begehrt war.
    Ihre Eltern drängten sie, mit den Jungen auszugehen, die anriefen. Sie wünschten sich ein möglichst normales Leben für sie. Ihnen erschien es logisch, daß junge Männer sich für
sie interessierten – sie sahen es als willkommenes Zeichen dafür, daß sie sich von anderen Teenagern nicht wesentlich unterschied. Die armen hatten keine Ahnung, warum die Jungen in Wirklichkeit anriefen, und Anna brachte es nicht über sich, ihnen ihre Illusionen zu zerstören.
    Es dauerte nicht lange, da wurde Kummer zu Haß. Sie legte sich einen Panzer aus Hochnäsigkeit und Bissigkeit zu, der Freundschaften mit Männern wie Frauen nicht zuließ. Beinahe hätte sie auch Dean Corbett mit ihrer Haltung abgeschreckt. Überzeugt, er sei nicht anders als die übrigen, hatte sie anfangs seine Einladungen abgelehnt. Aber er ließ nicht locker, bis sie sich schließlich doch mit ihm verabredete. Er schien als Gegenleistung für die Einladung nichts zu erwarten als das Versprechen, sie wiedersehen zu dürfen.
    Monatelang trafen sie sich beinahe jeden Abend, ehe er den Mut aufbrachte, ihren Busen zu streicheln, und auch da nur, nachdem er stammelnd um ihre Erlaubnis gebeten hatte. Vielleicht war das der Moment, als sie erkannte, daß sie ihn liebte.
    Gleich nachdem sie das erstemal miteinander geschlafen hatten, machte er ihr einen Heiratsantrag. Sie sagte neckend, soweit brauche er nicht gleich zu gehen – sie habe durchaus die Absicht, wieder mit ihm zu schlafen, ob er sie heirate oder nicht. Er hatte ihr versichert, es ginge ihm nicht um den Sex. Er wollte Anna als Lebensgefährtin.
    Leider war sein Leben viel zu kurz gewesen. Nach seinem Tod sanken ihre Chancen, Männer kennenzulernen, auf den Nullpunkt. Sie war gehörlos, hatte ein kleines Kind und lebte mit ihrem Schwiegervater zusammen auf einer Ranch weit außerhalb der Stadt. Jede dieser Besonderheiten hätte für sich schon abschreckend gewirkt. In Kombination verhinderten sie endgültig jedes gesellschaftliche Leben oder gar die Entfaltung einer neuen Liebe.
    Die häßlichen Gerüchte über sie und Delray machten ihr das Leben nicht leichter. Sie bemerkte genau die taxierenden
Blicke der Leute, wenn sie irgendwo mit ihm auftrat. Dann trug sie den Kopf doppelt so hoch und setzte eine Miene kühler Unzugänglichkeit auf, wie sie sich das schon früh im Leben angewöhnt hatte, um Mitleid und grausame Neugier abzuwehren.
    Der Klatsch über ihre Beziehung zu ihrem Schwiegervater weckte bei einigen Männern ein lüsternes Interesse an ihr – sie waren vom gleichen Schlag wie die eingebildeten Schuljungen damals. Einer von ihnen hieß Emory Lomax.
    Trotz all ihrer abschreckenden Erfahrungen hatte sie sich eine positive Einstellung zur Liebe und zum Sex bewahrt. Dean war nun schon lange tot; aber sie konnte sich genau erinnern, wie es gewesen war, verliebt zu sein. Die aufgeregte Erwartung. Die Atemlosigkeit. Das Herzklopfen. Das Kribbeln im Bauch.
    Die Erinnerungen meldeten sich gerade jetzt mit großer Lebhaftigkeit.
    Ähnliches spürte sie jedesmal, wenn sie sich in Jack Sawyers Nähe befand.
    Sie hatte nicht geglaubt, daß sie sich jemals wieder zu einem Mann hingezogen fühlen könnte; und ganz gewiß hatte sie nicht damit gerechnet, daß ein Streuner mit Dreck an den Stiefeln, mit einem von Draufgängertum gezeichneten Gesicht, ein Mann, der voller Widersprüche steckte, in ihr Gefühle wecken würde, die denen eines verliebten Teenagers glichen.
    Jack hegte große Zuneigung für David. Er hatte angenehme Umgangsformen und arbeitete

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