Nachthaus
sondern als wäre er stattdessen eine Figur aus dem Film Ghostbusters .
Wie vor elf Stunden im Pool stieg auch jetzt ein Rumpeln aus dem Boden unter dem Pendleton auf. Diesmal eskalierte es rasch, wurde lauter als beim letzten Mal, und das Gebäude erschauerte vielleicht fünf oder sechs Sekunden lang, ehe sowohl das Geräusch als auch das Beben abebbten. Er zweifelte nicht daran, dass dieser anscheinend seismische Vorgang irgendetwas mit dem geheimnisvollen Schwimmer und dem tintigen Sche men zu tun hatte, der so flink wie eine Katze durch sein Arbeits zimmer gehuscht war. Techniken der Finanzanalyse hatten ihn, nicht weniger als die Erfahrung auf dem Schlachtfeld, gelehrt, dass Zufälle selten waren und vielmehr überall unbemerkte Verbindungen darauf warteten, entdeckt zu werden.
Im Pendleton waren gerade erst wieder Stille und Ruhe eingekehrt, als Bailey die Stimme hörte. Leise und unheilverkündend. Es klang, als berichte ein Nachrichtensprecher via Radio in einem anderen Zimmer von einer Katastrophe; die Form der Worte war verzerrt und ihre Bedeutung nicht zu erfassen – nur dass diese Stimme hier war, so intim wie das Murmeln einer Geliebten.
Als er sich hinunterbeugte, um sein Ohr an den Radiowecker auf dem Nachttisch zu legen, schien die Stimme vom anderen Ende des Zimmers zu kommen. Er ging zu dem Schrank, in dem der Fernseher stand, öffnete die Türen, um den toten dunklen Bildschirm zu enthüllen – und hörte den Sprecher jetzt hinter sich, anscheinend näher und doch immer noch unverständlich.
Wohin er sich im Schlafzimmer auch begab – der unsichtbare Sprecher ertönte sogleich aus einer anderen Ecke als der, in die er gelockt worden war, ganz so, als wollte er ihn verspotten.
Als Bailey das angrenzende Badezimmer betrat, war die Stimme auch dort ebenso deutlich zu vernehmen wie im Schlafzimmer. Sie schien erst hinter einem Spiegel hervorzukommen, dann aus einem Lüftungsgitter dicht unter der Decke und dann durch den Strukturputz der Decke selbst.
Während Bailey der Reihe nach durch die hell erleuchteten Zimmer lief und dabei die Pistole mit der Mündung zum Boden an seiner Seite hielt, wurde die Stimme zunehmend finsterer, bedrohlicher. Die Richtung, aus der sie kam, änderte sich jetzt noch schneller, als sei der Sprecher ein durchgedrehter Bauchredner, der der Furcht erlag, von ihnen beiden, ihm und seiner Puppe, sei nur die Puppe echt.
Und dann, in der Küche, wurden die Worte klarer, sie wurden deutlicher artikuliert und waren doch nicht verständlicher. Bailey begriff, dass er eine Fremdsprache hörte. Weder Französisch noch Italienisch und auch kein Spanisch. Kein Deutsch. Kein Russisch. Keine slawische Sprache. Nichts Asiatisches. Etwas Vergleichbares hatte er noch nie vernommen, was bei ihm vielleicht den Eindruck erwecken sollte, es handele sich um eine dieser außerirdischen Sprachen in Science-Fiction-Filmen. Stattdessen fand er, sie klänge uralt und primitiv, obwohl er nicht wusste, warum es ihm so vorkam.
Keinen Moment lang hatte er den Verdacht, die Stimme käme aus der Wohnung nebenan. Das Pendleton war ein Stahlbetonstabtragwerk und bei der Renovierung war dieselbe Technik angewandt worden, um die Wohneinheiten voneinander zu trennen. Zusätzlich war moderne Schalldämmungstechnologie zum Einsatz gekommen. Der einzige Nachbar, mit dem er in dieser Wohnung eine Wand teilte, war Twyla Trahern, die Songwriterin, und er konnte noch nicht einmal schwach die Akkorde hören, wenn sie an ihrem Klavier komponierte.
Er blieb neben der Kochinsel stehen, drehte sich im Kreis und lauschte der Stimme, die in der Luft überall um ihn herum ertönte, anfangs lauter, doch dann nachlassend, als schaltete irgendwo irgendwer einen Lautstärkeregler herunter.
Als von der Stimme weniger als ein gemurrter Fluch geblieben war, läutete das Wandtelefon, und er nahm den Hörer ab. »Hallo?«
»Bailey, mein Guter, Edna und ich brauchen Ihren beruhigenden Einfluss.« Martha Cupp, eine der älteren Schwestern, die zu seinen Klienten im Pendleton zählten, sprach mit einer Entschlossenheit, die nicht herrisch war, sondern eher die einer guten Lehrerin, die hohe Ansprüche stellt und liebevoll erwartet, dass man diesen jederzeit genügt. »Sally ist entweder nicht mehr ganz dicht oder sie hat zu tief in die Whiskeyflasche geschaut.« Sally Hollander war die Haushälterin der Schwestern. »Sie sagt, sie hätte Satan im Geschirrkabinett gesehen, und sie will ihre Stelle kündigen. Sie wissen doch,
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